Pilgerweg Linz - (Ziel findet sich hoffentlich am Ende von selbst)

Prolog

Was wird mich erwarten die kommenden drei Wochen? Hoffentlich gutes Wetter, denn ich will im Freien übernachten, aber kein Zelt durch die Gegend schleppen. Da ich eine solche Wanderung noch nie gemacht habe, weiß ich nichts wirklich von all dem; der Bericht wird versuchen, darüber Auskunft zu geben, wie es schließlich geworden ist ...

Zunächst will ich die Erlebnisse des Tages eher stichpunktartig aufzeichen - dann und wann etwas mehr davon - und erst nach der Reise in die endgültige Form bringen. Für jetzt daher nur einige von den vielen Fotos angehängt, dir ich schon gemacht habe oder noch machen werde.


Dienstagabend 10. Juni
Vorbereitung

Wie gewohnt werden die "Sachen" rasch gepackt, ohne langes Überlegen. Denn würde nicht die Reise selbst "erzählen", was unbedingt nötig ist, was nicht?


Mittwoch, 11. Juni

Immerhin; es kommen (ohne meinen Wanderstab) - und ohne Wasser - stolze 103kg mit mir selbst und meinem "großen Bruder" Gepäck auf die heimatliche Waage. Und schon geht's los:

Von Bahnhof Penzing geht's nach Altenfelden, ab Linz nach Altenfelden im Mühlviertel mit Bus. Treffen mit meinem Cousin Max Fiala und seiner Familie. Max, ein überaus freundlicher Mensch mit vielerlei Talenten: Donauschiffer, Schmied, Bautätigkeit aller Art und nachhaltige Feldwirtschaft. 

Übergabe meines "modifizierten" Wanderstabes, den Max mit einem handwerklich perfekt umgesetzten Tauschsystem ausgestattet hat: scharfe Stahlspitze (querfeldein) gegen Gummipuffer (asphalttauglich). Ab jetzt gehen wir drei zu dritt vollständig »gerüstet für kommende Fahrten« (Zitat Jedermann)



Donnerstag, 12. Juni

Frühstück mit Max und seiner Familie. Um 9:00 Uhr mit dem Auto nach Ottensheim/Donau. Von dort Schifffahrt mit dem Donaubus, von Max gesteuer. Anlegestelle: Niebelungenbrücke. Dort warten bereits die ersten Kunden, die mit Max nach Ottensheim zurückfahren.


Ich selbst nehme die Straßenbahn Linie 2, vom Hauptplatz zum Stadtteil Linz-Ebelsberg, wo mein langer Wanderweg, zunächst Richtung Stift St. Florian beginnt. Temperaturen noch frühlingshaft bei allerdings stechender Mittagssonne. Die Last vom Gepäck wiegt schwer, "Stock und Stab" aber geben mir Zuversicht.

Nach kurzem Marsch in langer Zeit bin ich in St. Florian. Im dortigen Stift liegt Anton Bruckner begraben, letze Ruhestätte nach ruheloser Arbeit an der Vertonung seiner Musik.

Ein Mittagsmenü, zwei "Halbe" Bier Erholung, und schon geht's weiter. Einige Kilometer nur. Ein Wäldchen inmitten riesiger Weizenflächen bietet mir Platz und Geborgenheit für die erste Nacht.



Freitag, 13. Juni

Auf nach Steyr! Denn diese wunderschöne mittelalterliche Stadt wurde zu meinem Geschick - dazu weiteres im Verlaufe des Blogs ...

Es war eine anstrengende Annäherung. Städte, selbst mittelalterlich geformte, drängen danach auszuufern. Und so wurde der Weg durch Industriegebiete, ohne Schatten und Rast, asphaltiert und betoniert, beschwerlich. Was tun? Steyr ist gebaut um die Mündung der Steyr in die Enns herum. Wasser bietet meist Grün, Kühlung, Erholung. Die letzten Kilometer daher an der Enns entlang, an der Stadt vorbei, zum Wirtshaus "Boigerstadl". Bei einer Brettjaus'n ging die "Suche nach einem Schlafplatz" mit mir los, zunächst (theoretisch) auf Google-Maps, nach dem Essen (praktisch) mit Gepäck (+ 2 Liter Wasser) aufgeschultet, Stab in die Hand, Richtung Bahnhof Garsten. Von dort drei Stationen mit der S-Bahn nach Ternberg. In weniger als einer halben Stunde, war ich am Schlafplatz, inmitten weiter Felder, gesäumt von dichten Wäldern, direkt an einem sauber murmeldem Bächlein. Überraschung: meine Trinkflasche hatte sich mir nicht angeschlossen, stand vermutlich, einsam und allein noch unter dem Wirtshaustisch.


Samstag, 14. Juni 

Als die Morgendämmerung den Gesang der Vogelwelt intoniert, war es klamm; und feucht! Drüben auf der anderen Seite der Wiese zeigten sich allsbald Sonnenflecken.

Also Rucksack, Wanderstab, den feuchten Schlafsack + Unterlage, noch unsortiert, über die Wiese geschleppt, um in den Genuss der morgentlichen Wärme für klamme Glieder zu kommen. Und zum ersten Kaffee: Campingkocher, Ersatzkartusche, Kaffee und Zucker, viel Extragewicht, aber darauf wird nicht verzichtet!

"Man soll seine Sachen beieinander halten", hat man früher gesagt. Deshalb will ich meine Trinkflasche, die mich schon bei vielen Radtouren während in meiner Studentenzeit mit Wasser versorgt hat, zurück! Also geht's wieder nach Steyr. Einige Kilometer zu Fuß, ein erstes Bier in einem Café am Bahnhof Dürnbach/Enns und dann zurück in die Stadt.


Stadtspaziergang 

Am Stadtplatz fällt gleich auf: kein Geschäft von einer Kette, die gewöhnlich in anderen Städten bereits das Stadtbild dominieren. Eine mittelalterliche Stadt, fast jedes Haus ein Denkmal, das eindrucksvoll an der Mündung von der Steyr in die Enns mündet.

Natürlich sind viele Touristen, auch ich gehöre zu ihnen, unterwegs. Daher fehlen auch nicht Strassenmusikanten. Aber hier sind sie wirklich gut: Chan-Chan von den Buena Vista Social Club, meisterhaft adaptiert für das Spiel auf zwei Geigen, fast rockig von zwei jungen Cubanern interpretiert. Viel Schwung, viel Talent!

Dann verlasse ich die Stadt - es wird nicht das letzte Mal bei dieser Wanderung! - und gehe über sanfte Hügel, nicht an der Steyr direkt entlang, denn diese macht einen großen Bogen herum um den geraden Weg, etwa so wie ich im Laufe meines Lebens. Etwa 2,5 Stunden Wanderung entfernt verheißt die Gaststätte "Kim" - lt. Resentionen Google Maps - vorzügliche Vietnamesische Küche, bevor ich dannach einen Schlafplatz an der Steyr suchen würde.

*Die Geschichten vom "Kim" erzähle ich später*

Ein geeigneter Schlafplatz hatte sich bald gefunden inklusive Badeplatz und der Gelegenheit die verschwitzte Kleidung und mich selbst einmal wieder zu waschen!



Sonntag, 15. Juni

Gleich am Morgen Schock: Handy kaputt! Es ließ sich einfach nicht mehr starten. Selbst das Laden per Powerbank brachte keinen Erfolg. Und jetzt? Der Akku des Handys war schon längerer Zeit etwas schwächlich. Und hier: die hohe Feuchtigkeit, das permanente Laden per mitgeführten Strompanels; zuviel für das alte Gerät?

Also noch einmal zurück - den selben Weg, denn ohne Handy keine Orientierung!  - nach Steyr um ein neues Handy zu kaufen.

Auf dem Hinweg bin ich Tags zuvor an einer einladenden Strandbar direkt an der Steyr vorbeigelaufen, wo am Samstag Nachmittag allerdings der "Bär tobte". Heute war es früh genug für das erste Bier: also nichts wie hin! Der Gastwirt tauchte dort just im gleichen Moment auf wie ich. Ich bat um einen Stromanschluss, um meinem alten Handy eine "letzte Chance" zu ermöglichen. Seiner Bestimmung zu folgen, mich tunlichst auf meinem Weg zu führen, weiterhin stets erreichbar zu sein und jede Menge unsinniger Nachrichten abzusetzen.

Und siehe da: der letzte Knopfdruck, bewusst länger als 10 sec gehalten: das alte Handy startete wie von Zauberhand! Der Tag war gerettet und ich mit ihm ...

*Die Geschichte von den "Jehova*Innen an meinem Tisch später*

Anschließend ein rund 2-stündiger Marsch bis zum Wirt am Platzl in Garsten, Steyr. Geführt von einer junggebliebenen, österreichischen Wirtin, ihrer Kleidung nach "indisch" inspiriert, worauf auch die Speisekarte schließen ließ. Zur Hälfte indisch-bengalische Gerichte. Nichtsdestoweniger habe ich dort eines der besten Wiener Schnitzel in der letzten Zeit gegessen, während es aus dem Küchenfenster vom Chefkoch her im typisch indisch-österreichischem Idiom laut herausschallte. Vom Nachbartisch hörte ich, dass der sehr sympathische, junge Kellner bereits "übernommen" hätte, d.h er war bereits Chef des Hauses. Ob die junge Kellnerin, die die "ihrem Chef" vom Aussehen her wie aus dem Gesicht geschnitten schien, dessen Schwester sein könnte, die Wirtin und der Koch deren Eltern, bleibt offen. Beide "Kinder", so wie der vietnamesische Sohn beim "Kim" sprachen jedenfalls perfekt oberösterreichische Mundart!

Anschließend, wie bereits am Freitag schon, die Zugfahrt nach Ternberg, denn dort hatte ich "vermeintlich" meine Handschaufel liegen gelassen. Da ein Wetterumschwung mit Gewitter und Regen auf den morgigen Tag angekündigt war, beschloss ich, dort den nächstbesten Bauern zu bitten, mir für eine Nacht einen Unterstand in einem Stadl am Heuboden zu bieten. Mehrere Höfe, an denen ich vorbeikam, waren offensichtlich bewirtschaftet ... aber keine Menschenseele zu sehen. Nun ja, es war Sonntag. Aber da: ein Feld, auf das mit einem dieser modernen, riesigen Traktoren Jauche ausgefahren wurde. Zufällig wollte er soeben an mir vorbeifahren, als er auf meinen Wink hin hielt. Ein junger Bursche öffnete die Kabinentür. Ich stellte freundlich meine Frage. Er sah mich an: "He, bist Du ein Tramper?". "Nein", erwiderte ich, "ich brauche nur über Nacht ein trockenes Platzerl. Gleich morgen früh, spätestens um 5 Uhr morgens bin ich wieder dahin des Weges!"
Er verzog seine Miene, schaute kurz über mich hinweg: "Naaa, so woas woimerned bei uns!" Ich bedanke mich und machte mich desillusioniert wieder auf den Weg.

Kaum kam ich an den Ort zurück, bei dem ich zum letzten Mal meine "Klappschaufel" in Verwendung hatte, wusste ich sofort, wo sie sein müsste: richtig im Sackerl beim Klopapier! 

Das wiederum erinnerte mich an den Witz vom gestohlenen Regenschirm:

»Mosche kommt aufgeregt zum Rabbi und erzählt: "Denk Dir Rabbi, vor einer Woche habe ich mir einen neuen Regenschirm gekauft, und nun ist er verschwunden. Aber das schlimmste ist, daß als Dieb nur zwei Personen in Frage kommen, und beide sind aus meiner eigenen Familie. Was soll ich nun tun? Verdächtige ich den einen, wars vielleicht der andere, verdächtige ich den anderen, wars vielleicht der eine. So kann ich beiden nicht mehr in die Augen schauen, denn wie soll ich es wissen? Vielleicht schaue ich in die Augen des verwerflichen Diebes ohne es zu merken. Was kann ich nur tun?" 

"Beruhige Dich", spricht der Rabbi, "die Lösung Deines Problems ist einfach. Am nächsten Sabbat, wenn Du wie gewöhnlich aus der Bibel liest, kommst Du ganz beiläufig zu den zehn Geboten, und in dem Moment, wo Du liest, Du sollst nicht stehlen, da schaust Du hoch und den beiden Verdächtigen scharf in die Augen, und der, der dann .ot “wird, der wars."

"Das ist eine hervorragende Idee", spricht Mosche, "das werde ich sofort ausprobieren. Ich danke Dir für diesen wunderbaren Vorschlag. Ach wenn nur heute schon Sabbat wäre"

“Schon gut, schon gut" spricht der Rabbi, "aber vergiß nicht, nächste Woche wiederzukommen und mir zu erzählen, wie es ausgegangen ist!" 

Mosche verspricht es und kommt nach einer Woche ganz. aufgeregt wieder und erzählt begeistert: 

"Es hat funktioniert, es hat hervorragend funktioniert. Ich habe es genauso gemacht, wie Du es mir vorgeschlagen hast. Am Sabbat habe ich wie immer aus der Bibel vorgelesen, und so ganz nebenbei bin ich zu den Zehn Geboten gekommen. Und Rabbi denk Dir, wie ich zu dem Gebot komme: "Du sollst nicht begehren Deines nächsten Weib", da ist mir doch eingefallen, wo ich meinen Schirm liegengelassen habe."«

Nun, ich hatte zwar nicht den Regenschirm , immerhin aber meine "verlorene Schaufel" wieder, jedoch noch immer die Sorge im Kopf, wo ich heute Unterschlupf finden würde. Kaum auf der Straße, hupte es mehrmals von hinten. Ein großer Pickup näherte sich, ich sprang zur Seite. Ein grinsendes, ziemlich betrunkenes Gesicht streckte sich aus dem Fenster: "Wo wüsd hi?" "Ich suche einen Unterschlupf für heute Nacht, denn es soll regnen." "Hupf hint eini!" Ich verneinte, denn alle Insassen sahen, gelinde gesagt, nicht mehr ganz nüchtern aus. Sie hatten jedenfalls viel Freude mit mir, und schrien im Chor durcheinander: "Kum mit! Geh, schleich de! Sei ned so fad!" Der Fahrer taxierte mich: "Auch wennst ausschaust, wia vom Finanzamt oder wira Rechtsanwalt, wir fahrn voraus. Du kumst nach, mei Haus is durt vurn, im Stadl derfst liegen gehn!"

Gesagt getann, das Schicksal nahm seinen Lauf...

* Die Geschichte von René Spatt und Alex, dem Musiker, im Bäckergraben, dem "Tal der Gesetzlosen", wird noch erzählt*


Montag, 16. Juni

Wanderung von Ternberg nach Steinbach/Enns (Verlust Gaskocher)

In der Nacht unter "Gesetzlosen" gingen heftige heftige Gewitter nieder, nicht auf mich, da ich mich dort in den Unterstand geflohen hatte.

Es ist ein recht kalter, windiger Tag. Also weit gehen, wenn's geht!

"Wer verliert, der gewinnt!" könnte man als Motto die nächsten beiden Tage bezeichnen:

*Die Geschichte vom Verlieren und Wiederfinden auf einer Wanderung, insbesondere eines Gaskochers*

Mein Schlafplatz heute:



Dienstag, 17. Juni 

Mein bislang schlechtester Tag. Ich musste zunächst zurück nach Grünburg, um den Gaskocher umzutauschen, was mich 1,5h kostete, also genaugenommen 3,0h insgesamt, ich ging ja zurück. Nein, es sollten keine 3h werden, also nahm ich ab Grünburg den Bus nach Kirchdorf an der Krems zum dortigen Baumarkt. Dort hatte ich schließlich den neuen Gaskocher, allerdings rund 700 Gramm auch mehr zu schultern, denn einen neuen Kocher gab's nur inclusive zwei Gaskartuschen! Nun ja ...

Das Schlimmere ist mein Zustand:  die linke Hüfte schmerzte sehr beim Gehen. Ich brauchte zum Glück keine neue, die gäbe es darüber hinaus in einem anders "gestrickten" Baumarkt. Und ich wusste etwas dazu von meinem Osteopathen, der es umlängst so ausdrückte: "Eine neue Hüfte ist so weit weg von Ihnen, wie der Himalaya von Wien!" 
Dennoch war ich nicht mehr groß motiviert, Schmerzen zu "durchlaufen", wie bereits des öfteren in den letzten Tagen. Es muss wohl der berüchtigte "Durchhänger" sein, durch den jeder Pilger laufen muss. Aber ich konnte einfach nicht weiter. Also setzte ich an Tobias folgende Nachricht ab: "Gymnastik Durchbeißen Aufgeben?"
Tobias rief mich umgehend besorgt an: "Nein, Du darfst nicht aufgeben. Du bist am Fuße des "Georgenberges" (die Info hatte er von mir), und der Berg will, dass Du ihn erklimmst! Mach vorher noch ein paar Dehnübungen für den Hüftbeuger!"
Die Wirkung: epiphanische! Ohne Dehnübungen erklomm ich den Georgenberg und marschierte gleich weiter ins Nachbartal mit rund 800 Höhenmeter über einen Bergsattel. Auf dem Weg hinunter zu Steyrdurchbruch (vor rund 14.000 Jahren brach er dort durch) fand ich einen ruhigen, romantischen Wasch/Schlafplatz im Wald an einem gurgelndem "Bacherl".


Mittwoch, 18. Juni

Die erste Nacht, in der ich friere. Hier am Bach schlägt sich die Feuchtigkeit so nieder, dass alles was am Vortag noch trocken war, im Sinne des Wortes am Morgen "patschnass" ist. Zum Glück hatte ich meine Stutzen dabei, die ich früh am morgen übersteifte; was im Schlafsacks eine Turnübung darstellt, bei der man augenblicklich warm wird. Jetzt stellt sich die ontologische Frage: "Ist mir von den Stutzen warm geworden oder vom Anziehen?"

Egal, ich packe die Sachen zusammen, was jeden Morgen ungefähr 30 Minuten in Anspruch nimmt, bis alles verstaut und gesichert ist. Innerhalb von 20min bin ich am Steyrdurchbruch. Oben auf der Brücke fasst mich der Schauer über schiere Höhe über dem Wasser:

Jetzt sitze ich im Schatten, habe alle Sachen in die Sonne gehängt und schreibe dabei am Reisebericht weiter ...

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