Über die Ideen von Europa - Sammlung für eine öffentliche Rede




Ich rede ungern vor so vielen Menschen. Vergangenes Wochenende war ich zum ersten Mal Teil dieser Kundgebung. Seitdem ist bei mir das Bedürfnis gewachsen auch einige Gedanken zu Europa hier vorzubringen und schätze diese Möglichkeit ungemein. Ich will versuchen, mich auf das Wesentliche zu beschränken.

Als kleiner Bub sollten wir in der Grundschule einen Baum zeichnen. Meine Mutter wurde damals sogar zur Schule zitiert, weil ihr merkwürdiger Sohn lediglich einen dicken Baumstamm, die Erdoberfläche und darunter dicke und verschlungene Wurzeln zeichnete, denen ebenso wie Ästen oder Blattwerk auf dem Zeichenblatt kein Platz mehr geschenkt wurde. Damals beschützte mich die Gnade der frühen Geburt. Kein Kinderpsychologe hat sich sogleich um das Seelenheil des verwirrten Kindes kümmern müssen, die Lehrerin keine Meldung über Gefahr in Verzug an die Obrigkeit melden müssen und man hat auch darauf verzichtet, die Medizin um Rat zu fragen, um dem Bub die krumme Optik mit wohlgemeinter Medikation unbedingt austreiben zu müssen.

So blieb für den Bub nicht weiter als ein großes Fragezeichen, weniger bei Lehrern und Eltern, nur beim kleinen Bub selbst. 

Sie werden sich fragen, was hat das mit Europa zu tun. Vermutlich weniger mit Europa direkt, aber etwas über den beschleunigten Lauf der Zeit innerhalb von nur 5 Jahrzehnten innerhalb Europas. Aber ist das gut so? Fühlt es sich richtig an?

Erst vor einigen Tagen hat sich mir der Sinn meiner Zeichnung von damals erschlossen. Dieser Sinn findet sich in Europa. Mein "Lebensbaum" hat inmitten Europas seinen Platz gefunden und hat bald Wurzeln bis an die Peripherie Europas geschlagen. Mir wurden Kinder in Griechenland und Portugal geschenkt. Mein ältester Sohn absolviert seinen Grundwehrdienst beim österreichischen Heer. Als Grieche. Zwar aus Zwängen, die mit Europa nichts zu tun haben, aber mit den Vorteil, dass er sich selbstbestimmt und FREI entscheiden konnte.

Wenn mich meine Kinder - viel zu selten - besuchen, reisen sie an aus Lissabon, Madrid und Berlin. Ohne Pass. Ganz ohne schikanöse Kontrollen. Ich bin nach Österreich zurückgekommen und erhoffe mit meiner Frau einen halbwegs ruhigen Lebensabend in Frieden und bescheidenem  Wohlstand (Fragezeichen: in Relation wozu).  

Allerdings begleitet von größten Sorgen, wie meine Kinder und unser aller Kinder diesen Wohlstand aufrecht erhalten sollen. Denn der Tanz ums goldene Kalb nimmt an Schärfe und Rasanz unerbittlich zu. Das Kapital erwartet Rendite aus permanentem Wachstum. Den ich mir nie wirklich vorstellen kann, wie das funktionieren soll. Aber läge es allein an mir, wäre er ohnehin niemals zu verwirklichen.

Ich befürchte stattdessen, dass wir das Wachstum durch Schulden an der Natur und an der conditio humana erschleichen. Die Zunahme des CO2 Pegels macht dies denkbar leicht messbar und will die Schöpfung bedrohen. Noch scheint eine wirklich nachhaltige Energiewende, die den Namen wirklich verdient im globalen Maßstab Utopie. Was hat nun das wiederum mit Europa zu tun? 

Vor allem Europa ist eine dringende Verpflichtung erwachsen, als größtem zusammenhängenden Kuturraum weltweit, in noch, ich betone noch!!!,  also in immer noch kultureller und wirtschaftlicher Vielfalt sondergleichen. Diese Vielfalt muss auch in Europa geschützt bleiben!!!!

Eine Verpflichtung globalen Ausmaßes, die unsere Kinder und Kindeskinder erst einmal leisten werden müssen. Auch das wird später oder schon bald (wiederum Fragenzeichen) einmal ein Vermächtnis Europas sein.

Aber wir leben trotz Europa immer noch in Österreich. Zum Glück. Denn bei unserem großen Nachbarn im Norden sieht das wesentlich düsterer aus. Wollen sie wissen warum? Das liegt am Denken, wie hier und dort die gleiche Situation empfunden wird. In Deutschland hört man oft: die Lage ist ernst, aber nicht wirklich hoffnungslos. Ihr lacht noch nicht? In Österreich höre ich häufiger: die Lage ist hoffnungslos, aber nicht wirklich ernst. Also alles gut - hier bei uns.

Lassen wir die Schwarzmalerei. Denn davon wird es höchst erstaunlich und tatsächlich auch nicht wirklich besser. Stattdessen sollten wir weiter träumen Denn noch haben wir alle Möglichkeiten. Solange wir dies im Herzen friedlich, streitbar aber in den Dingen tun dürfen, ist immer noch alles gut. Denn die Vielfalt Europa sollten wir als stets bedrohte Pflanze unter Naturschutz stellen und gemeinsam zu einem mächtigen Baum hegen. Zum Friedensprojekt Europa. 

Ich habe deshalb auch meine Kinder aufgerufen, heute zur gleichen Uhrzeit in ihren Städten für die Idee von Europa auf die Straßen zu gehen und möchte gemeinsam mit ihnen und Ihnen träumen von der Idee Europa in unseren Herzen, in allen Gemeinden, Bundesländern und allen Staaten Europas. 

Und wir werden es sehr wahrscheinlich nicht mehr erleben, aber wenn die Idee Europas, die heute in ganz Europa gedacht werden darf, ich betone, gedacht werfen darf, in einigen Jahren die 100 Jahre ihres Bestehens feiern wird, dann wird die Idee Europas vielleicht auch einmal selbst Großbritannien wieder aus Ihrer selbst gewählten splendid isolation befreien und vielleicht sogar auf allen Kontinenten quer durch alle Wirtschaftsysteme und Religionen Fuß fassen können. Lassen wir uns doch alle zusammen auf diesen hoffnungsvollen Traum ein. 

Dennoch sollten wir in Erwägung ziehen: möglicherweise unternehmen die Briten mit Ihrem Wunsch nach einem Brexit einen notwendigen Schritt. Als Möglichkeit und als positives oder negatives Fallbeispiel für ganz Europa. Die Welt wird hiervon keineswegs aus ihren Fugen geraten. Kostet zwar einen Haufen Geld. So viel Vermögen aus Schulden, die unsere Nachkommen einmal zurückzahlen werden müssen, drängt nun einmal danach vermehrt oder verschleudert zu werden. Und wer wird am Ende zur Kasse gebeten?

Dennoch. Tragen wir die (Friedens)Ideen von Europa hinaus in die Welt. Aber lassen wir den Verstand nicht daheim und lassen wir uns dabei auch immer im Herzen berühren.


Kommentare

EU-Bürger hat gesagt…
Die Idee von Europäischer Union und die Politik von davon zu trennen, und dann Großbritanien vorzuwerfen, dass sie sich aus der Idee ausgegrenzt haben ist recht einfach.
Großbritannien hat sich aber nicht von der Idee verabschiedet, GB hat sich von der Umsetzung verabschiedet. Die Idee der EU ist schön, wunderbar und sehr leicht vertretbar, was die EU nicht ist: leicht umsetzbar.

Durch das Aufbrechen der Nationalitäten in der EU ist bei den EU-Bürgern eine Zugehörigkeit verloren gegangen. Wenn die EU der Dachverband meiner Nation ist, warum kann ich direkt nur die Regierung meiner Nation wählen, warum habe Ich als Bürger nur sehr wenig Einfluss über den Dachverband der mir meine Nationalität weggenommen hat?
Wie kann es sein das EU-Richtlinien meine gewählte Regierung dazu zwingen gewisse sachen um zu setzen selbst wenn diese eigentlich gegen diese Richtlinie sind?

Ich bin EU-Bürger, Ich fühle mich als Europäer, warum darf ich nicht EU wählen? Das einzige was ich darf ist einer Partei meiner Nation vertrauen schenken, dass sie meine Stimme repräsentiert, und diese Repräsentation wird durch die Stimme dieser Partei repräsentiert. Die EU Machtverteilung ist intransparent, meine Mitstimme ist nicht nur unter den viele EU-Bürgern weniger wert, nein sie ist auch durch eine 2 mal Verschachtelte Repräsentation verwaschen!

Die Idee "Europäische Union" ist wunderschön, die Umsetzung, je länger sie anhält, eine Katastrophe.
Die EU gehört reformiert, demokratisiert und transparenter gestaltet, oder Aufgelöst!

Mein lieblings Beispiel: Die Europäische Komission, wieviel Einfluss habe ich als EU-Bürger und wer ist der letzte der durch eine Wahl die Verantwortung bekommen hat? Bonus Punkte wer nicht den Wikipedia Artikel dazu liest, die Frage ist auch mit dem Lesen des Artikels nicht einfach zu beantworten.

Falls wer fragt wann das letzte mal die Komission meine Rechte beschnitten hat: Richtlinie der EU zur Netz- und Informationssicherheit
Mein Recht auf freien Informations Austausch wurde durch diese Richtlinie Beschnitten.

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