Meine Israel-Reise


1.Tag – Anreise Montag, 29.03/ Dienstag, 30.03.2010

Abflug aus Bln-TXL pünktlich 19:45 mit Air Baltic. Überraschung: jedes Gepäckstück 15 EUR zusätzlich - na ja, Billigflug, was soll man sonst erwarten.
Zwischenlandung in Riga 1 Stunde Aufenthalt. Zeit für ein Gespräch mit Deutschem aus Berlin, wegen seiner Diplomarbeit öfters in Israel, über Grundsätzliches dort. Seine Meinung zum Radfahren Überland: lebensgefährlich! ("eher wird man Unfallopfer, als durch Anschläge getötet zu werden") – ach was.


Nach kurzem Schlaf (Billigflieger sind super - keine Stewardess stört wegen Essen) um 4:30 mit Taxi ins Hostel Old Jaffa, mitten in der Altstadt von Jafo. Nach Betätigung Klingel und Nennung meines Namens öffnet ein elektrischer Summer. Nach ein paar Treppen die Reception allerdings unbesetzt. War ja auch mitten in der Nacht und zudem Feiertag (Pessach).


Erste Person, die ich  früh morgens zu sehen bekam, war ein eingewanderter Russe (so hörte sich zumindestens das an, was er von sich gab). Säubert Toiletten. Nach und nach kommen schlaftrunkene Gäste aus den Schlafzimmern, Morgentoilette. Gegen 9:00 Uhr öffnet eine junge Israelin die Reception. Kurzer Check In, ein paar Infos, Schafplatz zeigt sie mir später. Zunächst Kaffee auf der Dachterrasse. Oben schöner Ausblick auf Dächer von Jafo, Minarette und Kirchtürme, auf Meer in naher Entfernung und Hochhäuser von Tel Aviv in weiter Entfernung.


Immer mehr Gäste schleppen sich aufs Dach. Meine Befürchtung vor Reiseantritt: aufgrund meines fortgeschrittenen Alters keine Zutrittsberechtigung in Jugendherbergen und/oder Exot unter lauter jungen Menschen! Weit gefehlt, habe den Altersdurchschnitt der Gäste um einige Jahre nach unten gedrückt. Reisen ohne Komfort, mit wenig Geld oder beides - durchaus immer noch attraktiv für Leute meiner Generation (bzw. der davor). Junge Leute von heute scheinen anders zu reisen.


Dann Zuweisung einer von 10 Schlafstellen in einem 16qm großen Zimmer. Einfachste Verhältnisse, aber insgesamt sauber, halbwegs gepflegt und gemütlich.

Anschließend erste Orientierung in Jafo, das als uralte Siedlung seit 3.500 AC inzwischen in der Großstadt Tel Aviv aufgegangen ist. Nach Abschluss von Ausgrabungen sind große Teile der alten Festungsanlagen umgestaltet in eine malerische Parklandschaft. Da Feiertag Grillparties feiernde Familien wie früher im Tiergarten vor dem Verbot derselben. Unmittelbar auffällig ist das niedrige Durchschnittsalter der Einwohner, unsere Heimat dageben Altersheim.


Im Schatten eines Olivenbaums im Park ein wenig Schlaf nachgeholt, dann zurück ins Hostel. Fahrradmontage (Transport im Flieger demontiert in spezieller Radtasche). Ergebnis beim letztem, kräftigen Anzug zur Fixierung des Lenkers: Feststellmuffe aus Alu (Gewicht sparend) gebrochen, Urlaub im Eimer.
Nach kurzer Besinnung und intensiver Internetrecherche nach fußläufig erreichbaren Fahrradshops keimt wieder Hoffnung auf.

Nach einem Läufchen die Promenade von Tel Aviv entlang (ca. 20km) gab es abends ein ausgiebiges Dinner beim Libanesen: Mixed Grill mit 12 verschiedenen Salaten (gebracht wurden zwar nur 9 Salate, aber was soll´s, wir sind nun mal im Orient).



2.Tag   -   Mittwoch, 31.03.2010

Nach sehr tiefem Schlaf war ich morgens um 4:30 hellwach. Um mich herum Schnarchen und Grummeln. Frage: wie gelangt man im Dunklen aus einem knarrenden Stockbett ohne Leiter auf den Boden und das ohne die ganze Mannschaft zu wecken? Immerhin Sprung ins Ungewisse verletzungsfrei, auch meine Kleidung fand ich bald im Dunklen.

Nach obligatorischem Kaffee auf der Dachterrasse auf zu den Fahrradshops. Die erste Adresse war ein Abbruchhaus, die zweite unauffindbar. Vermutlich stammte die Adressliste aus dem Internet noch aus Zeiten vor dem 7-Tage Krieg (wer nimmt eigentlich mal den ganzen Mist aus dem Internet?). Also, wie anno dazumal: Einheimische fragen. Gleich der Erste zeigt zurück in die Richtung, aus der ich kam, mit Nennung der Straße Derech ben Gurion, in die ich rechts einbiegen solle. Also ich zurück fast zum Ausgangspunkt und siehe da, tatsächlich ein Fahrradshop, allerdings nur Verkauf, keine Reparatur. Aber 3 Häuser weiter eine Werkstätte, die mein Problem innerhalb weinger Minuten gelöst hat. Das neue Ersatzteil ist zwar verrostet und aus Stahl (nicht Gewicht sparend), hält aber bestimmt für immer.

Ins Hostel, Rucksack umgepackt, Sonnencreme, Helm und Handschuhe aufgetan und los. Zunächst die Promenade nach Norden und dann Suche nach geeigneten Straßen. Nach 2 Stunden Suche war klar, dass es in Israel außerhalb von Städten nur 2 Arten von Straßen gibt. Schnellstraßen (Highways 3-spurig und Autobahn 2-spurig) und schmale Erschließungsstraßen, alle mit Bumper (Weddinger Schwelle) versehen. So bin ich nicht recht weit nach Norden gekommen (wollte eigentlich zum antiken Caesarea), habe aber dennoch geschätzte 120 km zurückgelegt, bei Rückkehr nach Jafo ausgemergelt und am Ende meiner Kräfte. Trotzdem eine interessante Tour. Israel – zumindest nach erstem Ausflug – ist eine einzige Gartenstadt. Eine Siedlungsanlage aus modernen Villen neben der anderen, angebunden an Städte über Schnellstraßen
– meist durch Schrankenanlagen abgetrennt

Weil es am Vortag so gut geschmeckt hat, gleiches Restaurant, diesmal Stir fried Sharwama, statt Limonade Tee mit frischer Minze und nur 7 der versprochenen 12 Salate.



3.Tag   -   Donnerstag, 01.04.2010

Nacht war nicht so gut, wie die erste, weil Konzert eines durch Apnoe gequälten Gastes. Immerhin zweite Landung nach Sprung aus Bett souverän, weil Boden davor bereits am Vorabend weiträumig von Utensilien beräumt.

Vor dem Kaffee auf der Dachterrasse Buchung einer Herberge in Akko. Außerdem musste die Fahrt mit Bus geplant werden, da mit der Bahn keine Fahrräder transportiert werden dürfen und öffentliche Transportmittel am Feiertagen den Betrieb gegen Mittag einstellen.

Zur Entspannung von den Strapazen des Vortags keine weitere Radtour, sondern Stadtspaziergang rund um das alte Jafo. Aber interessant: die größten Unterschiede im Straßenbild zwischen Israel, Griechenland und Dubai ergeben sich aus der Beschilderung 
כלכלה ספורט בידורso  , so ελληνική γλώσσα oder so بث القناة من خلال الموقع aus. Ansonsten sehr viel Ähnlichkeit. Ähnliche Lautstärke und Gestenreichtum bei der Unterhaltung, morgenländische Gerüche auf der Straße, Architektur im Geiste der Moderne, Sauberkeitsempfinden und Ordnungssinn.


Wieder Mittagsschlaf im Park von Jafo, dann ein Läufchen Richtung Süden am Sandstrand entlang ( ca. 25 km). Abends Falafel mit diesmal 10 Salaten.



4.Tag   -   Freitag, 02.04.20210

Generalmobilmachung!!! Könnte man meinen, wenn man die Massen an uniformierten Männern und Frauen, teilweise Maschinengewehr umgehängt, auf der Straße sieht.

Sie haben alle das gleiche Ziel wie ich: Öffentliche Transportmitel. Nach Kaffee auf Dachterrasse und Packen des Rucksacks, Fahrradfahrt zum zentralen Busbahnhof. Die Soldaten fahren über die Feiertage nach Hause, ich zu meinem nächsten Ziel: Die alte Templerfestung Akko ganz im Norden von Israel. Mein Notebook hinterlasse ich „gesichert“ in einem Schrank an der Reception. Meine besorgte Frage, ob das Mädchen hinter der Reception als einzige Mitwisserin nach meiner Rückkehr zum Ende der kommenden Woche im Dienst sei, quittiert Sie mit einem gelächelten „may be“ und belässt mich im Unwissen und Ungefähren (Orient eben). Die Fahrradtasche mit ein paar nicht benötigten Utensilien hinterlasse ich, durch ein Vorhangschloss gesichert, hängend an einer Deckenstrebe des Fahrradraums.

Die Fahrt nach Akko mit zweimaligen, direkten Umstieg in Haifa in fast voll besetzten Busen zügig und ohne Probleme.

In Akko angekommen kurze Radfahrt zur Herberge „Zipi´s“. Sehr freundlicher Empfang durch Zipi "I love this country" persönlich mit Erfrischungsgetränk und kleinem aber feinem Apartement (diesmal ganz allein für mich und mit mit Gartenterrasse. Anschließend Rundgang durch die malerische, fast ausschließlich von israelischen Moslems bewohnte Altstadt innerhalb der Festungsmauern. Sehr orientalisch. Übervolle und lebhafte Basare, enge Gassen und arabische Sprache. Nach Rückkehr in die Herberge kurzer Lauf rund um Akko (ca. 10km). Zum Abendbrot gibt es frische Tomaten und Früchte vom Basar und 2 Flaschen Heinecken (gestiftet von Zipi).

5.Tag
  -   Samstag, 03.04.2010



Morgens es ein opulentes Frühstück (in Israel das wichtigste Essen des Tages!) mit Salaten, Früchten, Joghurts und Matzes. Dann Besuch Grabesstätte des Religionssifters Baha’u’llah in der wahrhaft paradisisch angelegten Wallfahrtsstätte "Bahai-Garden" (zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich von dieser offiziell anerkannten Weltreligion vor meiner Reise noch nie etwas gehört habe).

Anschließend nach Rosh HaNikra, ein mit einem Höhlensystem durchlöchertern, weißen Kreidefelsen, der die Grenze zum Libanon darstellt. Ein während des englischen Mandat gegrabener Eisenbahntunnel ist seit dem arabisch-israelischen Kriegs 1948 durch eine Mauer verschlossen.

Dann etwa 30 Kilometer ins Hinterland; ist aber nicht besonders aufregend - hügelig, dünn besiedelt, hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt. Auf einer anderen Route wieder zurück nach Akko. Nach erfrischenden Dusche zu Fuß nochmals in die Altstadt, in vielerlei Hinsicht an die ebenfalls von den Templern errichteten im griechischen Rhodos erinnernd.

Sonnenuntergang im Meer. Warme mediterrane Luft mit typischem Geruch nach salzigem Meer; unvergesslicher Blick auf die flimmernde Lichterkette im Halbbogen bis nach Haifa auf der anderen Seite der Bucht, untermalt von sanftem Wogen der Wellen. Mittelmeer, Du Sehnsucht meiner Träume...



6.Tag   -   Sonntag, 04.04.2010

Die Entscheidung eines neuerlichen Ortswechels hinüber nach Galiläa ist nicht leicht, da es mir in Akko und bei Zipi sehr gut gefallen hat, zumal ich im nächsten Hostel in Almagor, oberhalb des See Genezareth, im Internet erst für Montag buchen kann.  Aber die Buse fahren nur noch heute vormittag und erst am Montag abend wieder.

So geht es von Akko nach Haifa und von dort mit dem Bus nach Tiberias am See Genezareth. Ankunft 15:30 Uhr. Von dort sind es nochmal ca. 15km mit dem Fahrrad am Ufer entlang nach Norden. Der doch recht schwere Rucksack ist das eine, viel härter ist der stürmische Gegenwind, der die kurze Strecke zur Tortour werden lässt. Schade, dass diesmal niemand da ist, der dem Sturm gebot, sich zu beruhigen. Nach hartem Kampf stehe ich schließlich vor dem „Sea of Galilee Guesthouse“, einer entzückenden Herberge, angeordnet als kleine Einzelhäuser in einer Gartenanlage mit herrlichem Blick auf den See. Häuser und Garten voll besetzt mit feiernden Israelis - keiner mit Bereitschaft für Auskünfte in englischer Sprache. An der Reception auch keine Seele. Telefonanruf unbeantwortet.

Jetzt wird es spannend. Sonnenuntergang in ca. 1 Stunde und ich noch kein Platz zum Schlafen. Auf dem Weg zurück nach Tiberias ein Israeli auf Mountainbike. Kurze Frage nach Übernachtungsmöglichkeiten. „No problem, come with me, I´ll arrange you something“. Nach einigem Hin und Her wird mir schließlich ein Appartement angeboten, das ich dankend annehme (allerdings zum gleichen Preis wie alle anderen Nächte zusammen!). "Wo bekomme ich was zum Essen?" Der nette Radfahrkollege: „You going to be my guest, I´ll pick you up at seven“.
 

Nach einer erfrischenden Dusche werde ich von ihm und seiner Schwiegermutter zur Fuß abgeholt und nach kurzem Weg befinde ich mich als Überraschungsgast mitten in einer Pessachfeier, zu der die ganze Familie aus verschiedenen Orten in Galliläa zusammengekommen ist. Schwiegermutter mit 3 Töchtern, alle verheiratet mit ebenfalls mindesten je 3 Kindern, Freunde der Familie, unter anderem  ein in Israel bekannter Zauberkünstler, der mir innerhalb kürzester Zeit Uhr, Geld und Schlüssel entwendet, wovon ich erst bei der Rückgabe unter großem Gelächter aller Anwesenden etwas mitbekomme. Mir wird eine Kippa aufgesetzt, aus der "Haggada" (Buch mit Erzählungen über den Auszug der Juden aus Ägypten) vorgelesen und Lieder gesungen.
Es gab vielerlei Salate, Gegrilltes jeder Art, keinen Alkohol, das unvermeidliche  ungesäuerte Brot (Schwiegermutter: „I ate bred this morning, but don´t tell anybody“) und jede Menge Spaß. Es werden mir immer wieder die besten Bissen zugesteckt, jeder der mich kennt, weiß wie gut ich die Rolle des genießenden Gastes einnehmen kann. Es ist ein launiger Abend in dieser gutherzigen Familie, der mich mit tiefer Dankbarkeit für die selbstlose Gastfreundschaft erfüllt.



7.Tag   -   Montag, 05.05.2010

Die Hälfte des Urlaubs vorbei. Da ich erst hier in Isael auf den Gedanken gekommen bin, meine Morgenstunden mit dem Notieren meiner Erlebnisse zu verbringen, bitte ich um Verständnis, dass keine Fotos den Text begleiten (die Camera habe ich zwar mit und in eifrigem Gebrauch, kann die Bilder allerdings ohne Kabel nicht auf das Netbook überspielen).

Zurück ins „Sea of Galilee Guesthouse“ (aus dem inzwischen fast alle israelischen Gäste abgereist waren). Sachen abermals umgepackt zu einer Fahrt rund um den See mit wenig Gewicht im Rucksack. Zunächst hinunter zum „Berg der Seligpreisungen“, wunderschön parkartig angelegt, dann nach Capernaum zur biblischen Stätte des Hauses von Petrus. Alles das natürlich sehr touristisch, dort dem Wirken Jesus näher zu kommen ein kaum mögliches Unterfangen.

Die Fahrt um den See ist eine Fahrt durch dichten Grilldunst. Israelis sind während des Pessachfestes jederzeit und überall am Grillen. Es sind zwar Schilder aufgestellt, die das Schwimmen und Grillen verbieten, aber wie so oft im Süden scheinen Verbote eher den Willen zu stärken, gerade diese zu umgehen.



8.Tag   -   Dienstag, 06.04.2010

Nach grandiosem Früstück mit frischen Salaten und Früchten direkt aus dem eigenen Garten und einem kurzweiligen Gespräch mit der Tochter des Hauses über die Lebensverhältnisse in Israel (ihre Eltern sind als junge Meschen in den 60ern als Siedler in das von Syrien annektierte Gebiet gekommen) und die Innensicht auf die jüngste Siedlungspolitik (die die meisten jungen Menschen entschieden ablehnen), geht es das Jordantal hinauf zum Hermongebirge.  Auf der Ostseite des Tals in steter Steigung entlang der Golanhöhen hinauf, am Nachmittag an der Westseite wieder hinunter. Das fruchtbare Jordantal wird intensiv landwirtschaftlich genutzt und ist in den letzen Jahren in vielen Teilen renauturiert worden. Bemühungen, für die Israel große Anstrenungen unternommen hat und im Ergebnis sehr stolz ist. Dem Berg Hermon komme ich nur nahe, letztendlich ist es mir doch zu weit, so dass ich die paradisischen Wasserfälle am Fuße des Berges nicht erleben kann (ein amerikanischen Paar, das dort am gleichen Tag mit dem Auto war, kann mir später gar nicht genug darüber berichten).

Auf dem Weg zurück liegt noch Rosh Pina, eine der ersten von jüdischen Einwanderern um 1880 gegründeten Sielungen in Palästina, das damals noch zum osmanischen Reich gehörte, mit einem malerischer Friedhof an den Westhängen des Jordantals mit Postkartenblick auf dasselbe mit dem Hermon im Dunst als Hintergrund.




9.Tag   -   Mittwoch, 07.04.2010

Wetterumschwung. Kein strahlend blauer Himmer, sondern Wolken, Wind und Temperaturen tagsüber um 20°. Passt gut in meine Planung, weil ich heute keine Tour machen wollte, sondern nur ausruhen und lesen. Abermals ein sehr gutes Frühstück, anschließend in den Garten und lesen.

Zwischengedanken: 
Kaum versuche ich mich in einen Zustand der Entspannung zu versetzen, spinnen sich wie von selbst Fäden von Gedanken zusammen, die ich zu Beginn der Reise und solange mein Körper in Bewegung war, nur als diffuse Bruchstücke wahrnehmen musste. Jetzt in Ruhe treten sie wie von selbst aus dem Unterbwewußtsein zu Tage, übernehmen die Herrschaft über mein Denken. Es ist nicht nur die liegengelassene Arbeit, die ich mitgenommen in Ruhepausen erledigen wollte, es ist mehr ein Ganzes, das mein Sein und Handeln in Frage stellt. Womit hängt das zusammen? Wie kann man sein, ohne an Unerledigtes und Unbewältigtes zu denken, wie gebietet man seinen Gedanken das Drängen und Suchen nach Neuem endlich zu unterlassen? 


Es genügen ein paar Stunden der Ruhe und schon wächst paradox eine innerliche Unruhe, zunächst unbedeutend, aber sich gleichsam von Minute zu Minute mächtiger. Sie drängt sich in den Vordergrund, bis die körperliche Ruhe zur Qual wird und die Konzentration auf die Lektüre meines meisterlichen Romans „Perlmanns Schweigen“ (Paul Mercier) nicht länger aufrecht erhalten werden kann. 


Ich kann die Ruhe nicht länger ertragen. Liegt es daran, dass wir unser Leben stets durchplanen müssen? Unsere diesseitige Zeit reicht nicht aus für die Dinge, die man erfahren möchte. Sie werden auch nicht weniger, sondern täglich mehr, jedes Feld, das man betritt, öffnet weitere Felder, die nach Erschließung förmlich rufen. Der Plan für meine Reise war ganz bescheiden. Kein Ziel vorgegeben. Radfahren, soweit die Kraft reicht, Ortswechels nach spontanem Gefühl, frei sein vom Drängen des Alltags. Aber ganau dieser Wunsch ist Trugschluss und Ursache meiner Unzufriedenheit. Ich bin nicht frei, online stets auf dem letzten Bautenstand der Projekte in Berlin und gedanklich manchmal bereits bei ganz neuen Aufgaben, die auf mich warten. Immer noch ein Getriebener, statt ein Treibender zu sein.
Auch ein diffuses Trainingsprogramm für anstehende Laufwettbewerbe im Mai steht auf meiner „Abarbeitungsliste“, vor Urlaubsantritt geplant. Als könnte ich meinen Körper wie in meinen jüngeren Jahren immer noch zu Höchstleistungen treiben. In Wirklichkeit drängen sich in zunehmender Manifestation altersbedingter Leistungsabfall und mangelnde Motivation in den Vordergrund. So steige ich immer häufiger bei steilen Straßenanstiegen vom Rad, weil mein Kreislauf die Anstrengung nicht  mehr mitmachen will. 

Aber was jammere ich, in den nächsten Tagen will ich meine innerliche Unruhe unterdrücken und die letzten Tage der Reise genießen...

Nach einigen Stunden Müßiggang in der Hängematte oberhalb des Sees Genezareth kann ich mich doch noch besinnen und vor Sonnenuntergang einen intensiven Lauf in den Hügeln rund um den Berg der Seligpreisungen absolvieren
(ca. 25km).



10. Tag   Donnerstag, 08.04.2010

Sachen packen, Radfahrt nach Tiberias, von dort Bus nach Jerusalem. Ankunft 14:30 zentraler Busbahnhof. Von dort im Verkehrschaos (selbst in Jerusalem werden Straßen für neue Straßenbahntrassen umgebaut!) hinunter zur Altstadt.
Dirkekt am Damaskus-Tor liegt das New Palm hostel, in dem ich die kommenden 3 Tage schlafen werde.


Und gleich mitten hinein in die Altstadt. Buntes orientalisches Treiben, Basare, Kirchen, Moscheen, Touristen, Moslems, Christen, Juden - alles Durcheinander und Miteinander. Der besondere Ort auf unserer Erde, in dem so viel Gegensätzlichkeit auf so engem Raum miteinander auskommen muss. Wenn man die politisch-religiösen Konflikte nicht kennen würde, wäre dieser Ort ein Beispiel für funktionierenden Multikulturismus - nicht trotz, gerade wegen der Gegensätze!

11. Tag   Freitag, 09.04.2010


Hier und dort in Jerusalem


12. Tag   Samstag, 10.04.2010


Radtour hinunter zum Toten Meer (ca. 1200 Höhenmeter Differenz auf ca. 25km Entfernung) und ca. 55km entlang des Toten Meers Richtung Süden nach Ein Gedi, einer bekannten Badestelle. Von der recht frischen Höhenlage Jerusalems in die Hitze der judäischen Wüste. Kamele und Beduinensiedlungen entlang der Straße. 


Nach ein paar Stunden Aufenthalt, kurz vor Einbruch der Dämmerung, mit dem Bus wieder hinauf nach Jerusalem.


13. Tag   Sonntag, 11.04.2010


Rückreise nach Tel Aviv mit dem Bus, Sachen im Hostel packen (Computer und Fahrradtasche finde ich noch unversehrt vor), abens mit Taxi zum Flughafen und nach unfangreichen Sicherheitschecks (2,5 Stunden!) in den Morgenstunden wieder über Riga zurück nach Berlin


Nachbertrachtung


Israel, ein Land mit großer Spiritualität. Wo sonst hätten sich die großen Weltreligionen begründen sollen? Das Tote Meer in der judäischen Wüste, das Jordantal hinauf zum See Genezareth, die Berge in Galliläa, fürwahr ein "Heiliges Land". Jerusalem, bereits vor über 3.000 Jahren mit dem ersten Tempel, eine Huldigung an den einzigen, wahrhaften Gott.
Peter Seewalds "Jesus Christus: Die Biographie" war der letzte Anstoß dazu, Israel ein zweites Mal nach 1993 zu besuchen. Waren noch Spuren vom Wirken Jesus zu finden? Wie würden sich diese anfühlen? Spätestens nach dem Besuch des Hauses von Petrus in Carpaneum bzw. dem Berg der Seligpreisungen kam mir zu Bewußtsein, wie weit ich davon entfernt bleiben würde. Da war nichts, aber auch gar nichts, was mich in meinem Wunsch Jesus näher zu kommen, bestärkt hätte. Allenfalls die Vorstellung über die historische Bedeutung der Orte konnte ich zur Kenntnis nehmen und gleichsam wie Ausgrabungen bzw. Gedenkstätten weltlicher Natur in meine Erinnerung übernehmen. Jesus, in jeder katholischen Messe allgegenwärtig in der Mitte der Gläubigen, als weltliche Figur nur noch als Randnotiz wahrnehmbar.


Anders in Jerusalem - wird (vielleicht) einmal fortgesetzt























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