Der Teufel fährt aus frauJEDERmann - und ist doch noch nur eine vage Idee vom Geschehen...

Bald 14 Tage ist es her, dass der Platz vor der Bergkirche zu Rodaun wieder einen Teil eigener Geschichte erfahren durfte. Unweit dieses schönen Platzes unmittelbar am Rande des Wienerwalds wurde hundertjährige Geschichte neu ins Leben gerufen, in gewisser Weise fortgeschrieben. Mit der Rückkehr des "Jedermann" an seinen Geburtsort, in einer begeisternden Adaption und Auführung unseres Stückes frauJEDERmann.

Man darf wohl festen Muts behaupten: ein jeder, der am Entstehen und in der Umsetzung beteiligt war, darf "Bereicherung" mitnehmen für sein weiteres Leben. Nicht in Gestalt von Mammon, sondern seiner geistigen Schwestern, Gute Werke und Glaube. Gute Werke: es war ein außerordentlich gutes Werk. Unsere Begeisterung sprang über ins Publikum und von dort zurück zu uns. Resonanz wurde erzeugt und schuf eine Art polyphonen Klangraums, der noch heute in unseren Herzen nachhallt, leuchtet, uns erwärmt und - unter Umständen gar - einen langen Atem haben könnte. Unser Mut, unsere Leidenschaft, unsere Hingabe stehen für den Glauben. An das Gute, in - heute angestaubter - christlicher Diktion für erlösendes Heil aus mildtätiger Barmherzigkeit. Und steht doch Glaube für Lebensmut und gleichzeitig und gleich gütig auch für Demut:

"Gott hat geworfen in die Schal
Sein Opfertod und Marterqual
Und Frau Jedermanns Schuldigkeit
Vorausbezahlt in Ewigkeit."

Wir haben es auf die Bühne gebracht! Und es wirkt nach; wie zwischen den Tagen einige Male Zusehern tagsüber die Spielstätte nachmals aufsuchen, sich in die leeren Stuhlreihen setzen und (vielleicht) dem Inhalt des Stück nochmals innerlich nachrufen möchten. 

Unser Mut, das Stück weitestgehend ungekürzt, gar um einigen Passagen erweitert, wieder zu beleben, hat sich ausgezahlt! Lassen wir Salzburg für weit größeren Glanz und schnöden Mammon stehen. Rodaun steht dagegen mit freigiebiger Buntheit für prassende Vielfalt! Einfach "für Jedermanns", wie es der Postbote aufs Neue verkünden wird, wenn er bald einmal wieder seine Nachricht für die Ankündigung des Spiels von der Bühne ins Publikum rufen wird. 

frauJEDERmanns gute Werk und des Teufels tönerne Beschwehr

Hier drängt sich ein Vergleich förmlich auf: steht nicht sehr wohl unsere Produktion für das Hier und Heute einer feiernden Tischgesellschaft in all seinen Besonderheiten, Abgründen, Schelmereien und ebenso für Leutseligkeit: "...musst allerwegen gesellig sein"? Im positiven Sinne, mitten aus dem "besten Leben" heraus? Viel Weg haben wir schon hinter uns gebracht, ganz wie die "jugendliche" frauJEDERmann auf der Bühne ihres Lebens. In den zwei Stunden Aufführung zieht tatsächlich das Leben frauJEDERmanns wie ein Wachtraum jedermanns vorbei, von einer gelebten Vergangenheit auf eine offene, noch zu (er)lebende Zukunft hinaus. 

Im Text des Regiebuchs werden allzu bekannte Gefühle bemüht, die unserem Sein als wirkmächtige, "mythische" Gemengelage zu Grunde liegt, die uns trotz allen Vernunftsglanzes zum Trotz auch heute noch, recht im Ungewissen "verdunkelt" umtreibt, und die Hofmannsthal in allegorische Figuren zu verdichten imstande war. In diesen und durch deren "Mythenspiel" auf der Bühne spiegeln sich all jene Stimmen wider, die im Leben jeder Frau und jedes Mannes anklingen werden. Sie entfalten spielerisch jene Klangfarben, die dieses Stück so bunt erscheinen lassen. Vom Schwarz beim Einzug hinein in die Buntheit des Lebens, nach Höhen und Tiefen des Spiels wieder hinaus in schwarzes Einerlei beim Auszug. Dieses Geschehen wirkt als großartiges Gemälde des Lebens in uns fort, unmittelbar, selbst ohne dass es uns zu Bewusstsein kommen muss.

Allegorischen Figuren überhöhen das Spiel des Lebens aufs Äusserste, indem sie dessen wirkmächtigste Urgünde transzendieren. Wie in einer schauerlichen Höllenfahrt, einer Achterbahn der Gefühle, aus der schlussendlich als allegorischer Höhepunkt im Spiel der Teufel als frauJEDERmanns Dämon förmlich leibhaftig "ausfährt"', aller Selbstgerechtigkeit zum Trotz, unter heftigem Geheul und Androhung baldiger Wiederholung: 

"Ha! Dies Geklingel silberfein
Geht einem mehr durch Mark und Bein
Als selbst der großen dumpf Gebrumm.
Ich geb es auf, ich kehr mich um,
Ich laß sie, füttert sie euch aus,
Mich ekelts hier, ich geh nach Haus.
(...)
Gebt teuflisch Acht ihr satten Leut.
Hab verpasst diesen Menschen heut.
Doch ich komm wieder und hol jemanden von euch."

frauJEDERmann muss ihr gewohntes Leben erst verlieren um ein neues Leben zu gewinnen. In der allzu bekannten und gleichzeitig auch gewandelten Notwendigkeit des "Im Hier und Jetzt holt Dich der Tod".

Oder wie es bei Thomas Mann, in gleiche Zeit und gleichen Geist hineingeboren wie Hofmannsthal, 
im Vorspiel "Höllenfahrt" seines Stückes Joseph und seine Brüder zu lesen steht: "Sterben, das heißt freilich die Zeit verlieren und aus ihr fahren, aber es heißt dafür Ewigkeit gewinnen und Allgegenwart, also erst recht das Leben. Denn das Wesen des Lebens ist Gegenwart, und nur mythischer Weise stellt sein Geheimnis sich in den Zeitformen der Vergangenheit und der Zukunft dar. (...) Das Volk sei belehrt, dass die Seele wandert."

Man mag das alles kaum glauben. In Rodaun vor der Bergkirche wurde das immer gleiche Spiel aus der Vergangenheit heraus wieder lebendig. Wann wird es auch in der Zukunft wieder zurück an seinen angestammten Platz kommen? Wann wird es abermals so werden, wie es einst sein wird? 

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