Ein Gespräch über den Zugang zum "Kultubetrieb heute"

Ein weiteres Mal: Treffen im Wiener Kaffeehaus Prückl und im Anschluss daran ein Vortrag im Haus der Angewandten. Genauer, eine öffentliche Präsentation in Dialogfirm zum Thema Kulturbetrieb heute.

Wie bereits in meiner Einlassung zum ersten Treffen dieser Art Moderne inmitten eines kalten Winters will ich versuchen, Eindrücke - und Gedanken darüber hinaus - meines persönlichen Empfindens dazu in Worte zu fassen.

Der Dialog fand statt zwischen der Autorin und Malerin Teresa Präauer und dem Wiener Essayisten und Schriftsteller Franz Schuh. Wie aus der Einladung zum Gespräch ersichtlich, sollte es um "die schöne Frage, was denn Kunst sei...und wie ein Mensch in den Kunstbetrieb „hinein“ (kommen, und) welche Inspirationen und Schemata der Anerkennung existieren für (oder gegen) Künstler und Künstlerinnen und welche Rolle eine universitäre Ausbildung dabei haben...könne" (Schuh https://tefe121a8.emailsys2a.net/mailing/131/7130048/9613015/f4575a8745/index.html)

Zunächst darf man als Zuhörer guten Gewissens ein großes Lob aussprechen; sowohl Franz Schuh als auch Teresa Präauer bringen ihre persönlichen Haltungen und Rollen beim Zugang zum Kulturbetrieb mit bildreicher Sprache anschaulich zum Ausdruck. Sie werfen vielerlei Fragen zum Thema auf, um das es gehen soll. Franz Schuh, der sich selbst aufgrund seines gesundheitlichen Zustands selbstironisch als Pflegefall tituliert, gibt den vielbelesenen Humanisten, der mit Zitaten und Anekdoten einer vergehenden Zeitgeschichte aufwartet; Teresa Präauer, jugendlich, modern, präsent als Frau, stilvoll gekleidet und frisiert, in rethorischen Klarheit ebenso talentiert wie Franz Schuh. Allerdings steht sie im Gegensatz zu Schuh für die moderne Zeit. 

Kunst in der modernen Warenwelt

Ich konnte mich recht bald eines Gefühls nicht mehr erwehren, dass Teresa Präauer das moderne Marktmodell ideal und in ganzer Erscheinung zu repräsentieren vermag, während Franz Schuh dessen Präsenz zwar zu akzeptieren hat, jedoch weit kritischer gstimmt, dieser sich wohl auch nicht in gleichem Maße anzudienen verstand, wie man es bei Präauer zumindest nahelegen kann. 

Was bleibt neben dieser Verortung, in Bezug auf jene absolut real gewordene (und weiter werdende) Warenwelt in Erinnerung? 

Zunächst Präauers Ausführungen zum Wandel des Begriffes Betrieb. Wie es das Wort schon sagt, gibt es den Vorgang eines Betreibens oder des Betreibenden an. Das trifft auf den Künstler zu, ebenso wie jeden anderen, der ein Handwerk oder Handel betreibt und später einen Betrieb führen und schließlich zum Unternehmer wird. Stand früher einmal die (manuelle) Tätigkeit im Zentrum, so ist es heute der Umgang mit Betriebsmitteln. Wo es früher einmal Auftraggeber aus einem Fürstenhause oder von der Kurie gab, so haben wir es heute im Kulturbetrieb mit einem Mäzenatentum und staatlichen Institutionen zu tun, die Kultur fördern, in Galerien ausstellen,  großen Messen präsentieren, sich Kunst auch öffentlich aneignen und mit vielerlei "Preisen" zu dekorieren verstehen. War der Auftraggeber früher einmal personifiziert und daher an einen Namen gebunden, so sind es heute eher Stiftungen, Institutionen, international agierenden Unternehmen, die den Kunstmarkt fördern und bepreisen, auch weil sie ihm den am Markt wichtigen Tauschwert zuweisen (was idealerweise ein frei zugänglicher Markt übernehmen sollte). War der Künstler in monarchischen Zeiten häufig ein Künstlerfürst, so machen heutzutage Kunstpreise in Form erworbener Auszeichnungen den Markt unter sich aus. Einerseits offener Marktzugang, andererseits durch Verknappung auch Zugangsbeschränkung. Die Nähe des Künstlers zu seinem Auftraggeber reguliert heutzutage der Preis, den seine Kunstwerke auf dem Markt erzielen.

Als moderne Frau und Schriftstellerin muss sich Teresa Präauer im Büchermarkt präsentieren, öffentlich mit Lesungen und Lehrveranstaltungen präsent sein, auf Büchermessen auftreten, Buchpreise einsammeln, und in den gängigen Medien permanent aufscheiben; dort befinden sich die Verkaufsstände, in der die Ware Buch ihren Absatz findet. Sie musste für ihr Ziel "Absatz Buch" selbstverständlich wichtige Entscheidungen für das Buch und gegen die Malerei treffen. Und vor allem eine Haltung entwickeln, die eben diesem Absatz förderlich sein würde. Auch darum sollte es im weiteren Verlauf des Dialogs und der anschließenden Fragerunde gehen.

Haltung gegenüber dem Kunstmarkt

Welche Aussagen zu einer persönlichen Haltung gegenüber den Zugangsbedingungen zum Marktgeschehen, hier am Kunstmarkt, können getroffen werden? Was zum Beispiel kann oder soll einem jungen Studierenden als Rat, Empfehlung, Vorschlag mit auf den Weg des Studiums, und nachfolgend der Ausübung des Kunstschaffenden, "mitgegeben" werden?

Wenig erstaunlich lassen sich weder Präauer noch Schuh zu eindeutigen Aussagen hin zu einer (notwendig-eindeutig, wiederekennbaren?) Haltung im Kunstbetrieb hinreissen. Zu vielfältig die Anforderungen für den sehr individuellen Zugang zum Kunstmarkt und zu den Umständen und Möglichkeiten bei der Vermarktung von Kunstwerken. Über allem steht jedoch unausgesprochen in großen Lettern: Die Haltung gemeinsam mit dem Kunstwerk ist gleichsam das eigentliche Format des Künstlers (das sich vermarkten lässt). Der Künstler, die Künstlerin und ihr Kunstwerk verschmelzen quasi zu einer selektiven identifizierbaren Einheit! Wobei die Fortentwicklung der Kunst erkennbar sein müsse!

Kritisch wird angemerkt - und anhand eines Textes mit gezielten Vorgaben, entnommen aus einer E-Mail einer Kunststiftung (?) auch untermauert -, in dem eine klare Performance und Botschaft vorausgesetzt wird, in der die Performance (waren damit Vermarktunsmöglichkeiten am Kunstmarkt angesprochen?) ebenso wichtig sei wie das Kunstwerk an sich. Es muss entsprechend präsentiert werden! Ein fast wagnerianisch anmutende Herangehensweise, mit festem Vertrauen an die Wirkung von Gesamtkunst, wie Franz Schuh süffisant anmerkte.

Zahllose Namen und Zitate von Schriftstellern begleiteten die Performance, vor allem die Franz Schuhs. Teresa Präauer agiert hier weit sparsamer. Aphorismen und Zitate bereiten das Feld, um mit ihnen Argumente einzubetten. Namedropping schadet auch nicht, wirkt in Zeiten des cultural bashings fast ein wenig deplatziert; wirkt  durchaus immer noch als eine Art Anker, an dem man Aussagen festmachen kann. Genannt werden namentlich Thomas Mann, als ein Vertreter der wichtigsten Romanciers der vergangenen Jahrhundertwende, auch Karl Kraus und Robert Musil, der sein Werk Mann ohne Eigenschaften nie fertigstellen konnte ("aber immerhin begonnen hat!" - Franz Schuh), Heidegger, natürlich!, Goethe und Schiller als Vertreter der deutschen Kassik. Walter Benjamin und dessen Kunstkritik ("Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" und viele seiner Standardwerke über die Kunst Marcel Prousts und Charles Baudelaire) bis hin zu modernen Schriftstellern wie Klaus Wagenbach (gleichzeitig Autor, Verleger, Herausgeber u.v.m in diesem Bereich). Peter Handke bekam sein Fett weg: "Handke hatte mit seinen späten Romanen nur noch Erfolg, weil er bereits einen Namen auf dem Markt hatte!", Elfriede Jelinek bekam ein großes Lob für Werk und Haltung von Schuh und Präauer gleichermaßen, auch Thomas Bernhard. Hans Blumenberg, derzeit als Philosoph wieder viel gelesen, Odo Marquard ("Theorie ist das, was man macht, wenn nichts mehr zu machen ist") und Wolf Haas ("Kann man vom Leben schreiben?"). Unvergessen auch Marcel Reich-Ranicki, der beim Vermitteln geschriebener Kultur mehr zuwege bringt, als mit eigenem Schreiben. Man erhält eine Vorstellung davon, was Franz Schuh in seinem Seminar liest, wie er es immer schon tut und weiterhin tun wird.

Zuletzt ist mir in Erinnerung geblieben, wie fein und scharfsichtig Franz Schuh zwischen Bürgerlichkeit der Stadt und Provinzialismus, unterschied, zwischen Bürgerlichkeit und Kleinbürgerlichkeit. Aus diesem Grund wetterte Schuh sein Leben lang gegen den Ingeborg-Bachmann-Preis, der in Klagenfurt verliehen wird, was nichts Gutes bedeuten kann. Haltung heißt deshalb auch: nicht jeder Preis muss angenommen werden, ist per se ein Erfolg! Jean Paul Sartre lehnte 1964 die Entgegennahme seines Nobelpreises für Literatur ab. Schuh: "Was soll auch ein Existentialist mit dem Nobelpreis"! Schließlich bekam er ihn für seinen Freiheitssinn, weshalb er ihn quasi ablehnen musste!

"Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!" Dieses selbsterklärende Bonmont fiel zwar nicht im Gespräch, die Begründung und immerwährende Gültigkeit dafür sehr wohl bei den Ausführungen Franz Schuhs. Hatte doch schon Friedrich Schiller zu einer Zeit, als das Gewese um den Fußball unserer Zeit noch undenkbar schien, in seinen ästhetischen Betrachtungen es so formuliert: "Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Dies gilt sowohl für den werdenden Künster, der sich um eine identifizierbaren Haltung bemühen muss,...wie mich, dem hoffentlich bald schon ein weiterer Tag mit Beginn in einem Wiener Café bevorstehen wird.







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