Auf der Flucht (vor der Angst)

Eine Morddrohung, in linkischer Schrift mit wenigen Worten auf einen Zettel geworfen und einem Kürzel signiert, lag im Briefkasten. "In 10 Tagen bist du tot!" Ist das ein falscher "Film"? Ein Irrer? Ein Feind? Aus dem Haus, aus beruflichem Umfeld? Ein "Freund', der ein Wort, harmlos in hitziger Debatte gesprochen, nicht vergeben will? Eine "Ex"? Bin ich überhaupt der richtige Adressat? Mein Name stand auf dem Zettel, das ja, aber war tatsächlich ich persönlich gemeint? Ist mein Name nur zufälligerweise zum Synonym geworden für Hass gegen jemanden? Oder einem Gefühl an Missgunst? Einer Projektion. Verbreitet etwa mein selbstbestimmtes Sein, meine schiere Körpergröße "Angst"?

Länger als 10 Minuten benötigte ich nicht für diese vertrakten Gedanken. Einfach abschütteln? NICHT daran denken, mich nicht weiter damit beschäftigen? Es war meine Freundin, die den Zettel aus unserem Briefkasten gefischt hat. Was macht es mit ihr? Fühlt sie sich ebenfalls bedroht? Was, wenn alles auf dem Zettel eintrifft und plötzlich eine Schusswaffe auf uns zielt? Ein Messer in der Hand eines Unbekannten, noch schlimmer eines Bekannten, aufblitzt?

Innerhalb von wenigen Stunden hat unser Alltag eine andere Farbe. Sie riecht nach Ungemach. Ich selbst spüre eher eine diffuses Unruhe. Und zugegeben: auch so etwas wie Neugier. Die mir eigene, genuine Skepsis gegenüber solch invasiver Drohung stellt sich bald vor das Gefühl akuter Gefährdung. Die Drohung erscheint zu irreal, zu weit hergeholt, als dass ich sie wirklich ernst nehmen kann. Ich gebe mich eher belustigt als bekommen.

Bald wissen es meine Familie, viele meiner Freunde. Alle sind fasziniert, wenige belustigt, mache zeigen sich irritiert, die meisten Fragen gleich: was nun? Die Polizei interessiert, aber wenig hilfreich. Jovale Stimmen raten zur Bewaffnung. Besorgte zur Flucht. Wenigstens für jene 10 unheilvolle Tage der Bedrohung die Wohnung nach Möglichkeit verlassen. Das scheint bald geboten. Aber dann? Was sollte sich verändern, außer wir können vergessen. Hat aber Vergessen wiederum eine Zeit? 10 Tage, 20.? 100? Schwindet mit dem Vergessen wirklich der Eindruck von Bedrohung?

Sind es nicht unsere "Bilder", die dem Irrsinn jener Zeilen Bedeutung zumessen? 




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