Geld und Tod

Der Titel allein zeigt an, worum es (mir) geht. Um alles! Nun ja, allenfalls soll es darum gehen, wie sehr Geld als Allegorie für so vieles, als eine Art "Gleichnis" unserer Zeit herhalten und wozu es uns dienen soll. Und es auch kann, aber wohl nur bei sehr "gerechter" Verwendung! Unsere Macht und Ohnmacht vor seiner schieren Präsenz, die unsere Welt in Atem hält, vorantreibt, sie elektrisiert und befeuert. Aber auch zu lähmen bereit steht, mit Blick auf dessen zeitgleich stets mitschwingende dunkle Seite. 

Worum geht es also wirklich? Vordergründig haben beide Begriffe, - Tod und Leben - nichts miteinander zu tun. Sehr wohl aber mit Bezügen auf die Ontologie unserer menschlichen Existenz. 

Über Geld zu verfügen, bedeutet Möglichkeiten zur freien Gestaltung. So weit scheint es klar. So lautet die Mär. Geld hat - heute mehr denn je - kein physisches Gewicht, keine Masse. So wird das lateinische Apercu "pecunia non olet" wahr; seine "(Ge)ruchlosigkeit" ist sein Geheimnis. Fast immer aber mit "G'schmäckle". Es ist rund um die Welt in Jetztzeit transferierbar. Es ist überall, wie es sich zugleich entzieht, nirgendwo tatsächlich "ist". Sein Geheimnis offenbart sich in seinem Glanz, sen Schatten verhüllt seine Auswirkungen. Es dient als Wohltäter und Mäzen, zum Abgott und zum Feindbild. Zumal es seine "Wirkung" erst dann entfaltet, wenn aus dem Vielen, plötzlich Wenig geworden ist. Der Schelm, natürlich, meint erkannt zu haben, das, was dem Einen weniger wird, kann ihm selbst zum Vielen werden. Solange er die Gesetze des Tauschandels vom "Nirgendwo" richtig zu bedienen versteht. Der Wert des getauschten Guts verdankt seinen Zuspruch allein aus der "Progression" nach (noch) mehr. Geld sucht sich zu bewahrheiten, als eine Metapher für Unerschöpflichkeit, als jenes "Perpetuum mobile" unserer Phantasie, das mehr abwirft als einfordert, jedoch nur im "Hoffnungshorizont" persönlicher Perspektive.

Allein, wie steht es mit dem ontologischen Sinn? Ist hier nicht gefragt. Der Sinn besteht in einer Mehrung des "Nichts". Sie füllt die Leerstelle des Seins mit "nichts" als Ablenkung.

Geld eine Metapher für die (Nicht)Existenz von Tod?

Dieses "Nichts", das in seiner grenzenlosen Verherrlichung zugleich zu "Allem" mutiert, vollzieht hier eine eigentümliche Analogie zum Tod, dem von uns ontologisch gefühlten Gegenteil von Leben. Somit wird dieses Stück Geld in seiner Aufführung existentiell.

Hugo von Hofmannsthal hat diese Zusammenhänge, wie der Tod in sichtbaren Zusammenhang mit dem Geld steht, auf wundersam geheimnisvolle Weise, im Leben und Sterben seines "Jedermann" aufgeführt. In diesem Theaterstück wird uns "gewiesen werden / wie unsere Tag und Werk auf Erden / vergänglich sind und hinfällig gar. / Der Hergang ist recht schön und klar. / Der Stoff ist kostbar von dem Spiel. / Dahinter aber liegt noch viel." 

Im weiteren Verlauf des Stücks kommt es zu einer absurden wie aberwitzigen "Enthüllung", was das omtologische Wesen "Mammon" mit uns "Jedermann" aufführt. Erstaunliches fügt sich rasch zusammen. Nicht Jedermann verfügt über Mammon. Mammon lässt ihn, das heißt uns, auf der Bühne des Lebens so hampeln, wie es ein echter "Hampelmann", für uns alle nämlich, tun muss! Das Publikum, das "Jedermann" im Nächsten erkennt, nur nicht sich selbst, lacht herzhaft dazu, weil es das Dilemma dahinter nicht erkennen will.

Wie sich unser Sein im Umgang mit dem Geld manifestiert, so manifestiert es sich im Umgang mit dem Tod, daher auch sein Umgang mit dem Leben. Das Verfügen über Geld bietet uns den Schein vom ewig fortwährenden Leben, der unseren Tod ins Nichts verdrängt. In der Mitte des Lebens beginnen wir zwar an diesem "Konzept" zu zweifeln, aber solange Geld sich vermehrt, vermehrt sich die scheinbare Abwesenheit vom Tod hin zum ewigen Leben. Verwundert es, dass unsere Geldstöme fast magisch angezogen werden vom Gesundheitswesen? Der streng medizin-politische Fokus auf Corona lenkt ab vom Eigentlichen, vom ontogisch Existentiellen.

Die wundersame Geldvermehrung soll uns hier in diesem Leben vom Sterben bewahren. Und der Harari'sche Homo Deus ward geboren, der im Geldfluss baden möchte, ohne dessen Ontologie mitdenken zu müssen. Er wird darin untergehen. Und Geld wird ob seiner Schwemme zur Urflut. Zur Metapher vom Tod.

"La vita è un casino" oder der Rausch des Lebens

Man sollte sich nicht fortreissen lassen von solch mürben Worten. Man muss nur die Sucht, das Lustvolle, den Rausch dahinter verstehen lernen wollen. Das Leben, ein Casino. "La vita è un casino". Der Jackpot wartet. Die Nachricht, dass der Jackpot mit jedem weiteren Wetteinsatz, mit dem Wachstum der Hoffnung nach "Reichtum" synkopisch kontinuierlich wachsen wird, erschüttert unsere Welt bald mehr als jede Schreckensnachricht unserer marktschreierischen Medienwelt. Der Einsatz wird immens. Der Erfolg ebenso. Die 2,22 €, die dann zur Auszahlung gekommen sind, weckt die Hoffnung auf den nächsten Jackpot. Leben? Tod? Was nützt uns diese Betrachtung, wo es doch das Leben zu feiern gilt!

"Unsere Epoche neigt zum Rausch. Der Rausch ist eine große Verlockung. Aber wenn die (...) Zivilisation nicht untergehen soll, dann müssen wir zur Vernunft zurück, endgültig, alle, und müssen den Rausch ins Privatleben verbannen und in die Kunst." So steht es geschrieben in Lion Feuchtwangers hinreißender Satire "Der falsche Nero". Und dann:"(...), gesunder Menschenverstand, recht und gut. Doch wenn man nicht ab und zu eine Stunde Rausch hat, dann hat der ganze gesunde Menschenverstand keinen Sinn. Wenn man sich fragt, was am Ende im Leben gezählt hat, dann waren es die paar Stunden Rausch."

Nun denn? Wagen wir eine Synthese: warum versuchen wir uns nicht tapfer am Synkretismus "vom Einen UND und vom Anderen"? Das Leben, als ein "rauschaft-existenzielles" Wagnis? Die Reinform (von beiden) wäre zwar hübscher; realer, lebenswerter, tüchtiger, plausibler. Und doch nicht gleichwohl auch sündiger, weil Abkehr von der geschaffenen Welt? Genießen wir den Rausch UND die Askese. Den Tag UND die Nacht. Das Geld im Gewand des schnöden Gewinns UND seines lustvollen Verlustes. Das Leben UND das Sterben. Der Tod darf warten. Auch er vergeht ohnehin doch wieder, dann nämlich, wenn es Zeit wird, mit unserem "Vergehen". Und löst sich schließlich ganz auf im "Dennoch", nämlich im Paradoxon von Anfang und Ende.

Anfang und Ende ANDERS denken, als gemeinhin üblich in unserer Kultur "Große Ideen". Sich klein denken, über Anfang und Ende hinaus, dort wo Ideen (i.e. Tod und Geld) endlich und nichtig werden, dort erst beginnt der Horizont des undefinierbaren Seins, des unbegrenzten Lichts zum Leben, das unsere "Finsternis" erhellt. Oder wie es beim "Der falschen Nero" von Lion Feuchtwanger in Abwandlung des Prologs zum Johannesevangelium zu lesen steht: »Im Anfang war das Wort, der Heilige Geist, die Vernunft. Alle Dinge sınd durch sie gemacht, und ohne sıe ıst nichts gemacht, was gemacht ist. In ihr ist das Leben, und das Leben ıst das Licht des Menschen, und das Licht scheinet in der Finsternis, aber die Finsternis hat’s (Anm.d.Aut: noch) nicht begriffen.«

Im Lichte des "Jetzt", in das sich alles verdichtet. Im Jetzt kondensiert sich unser Leben zur Ewigkeit. Im Jetzt vollzieht sich bereits sein Vergehen. Im Werden UND Vergehen vollzieht sich die Synthese des Seins. Das "Nichts" geht so verloren. "Alles" aber bleibt. In Fülle. Unsere Gedanken bleiben und wabern und klären und verdunkeln. Dein Denken ist's, Dummkopf!




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