Eine kurze Geschichte von der Trauer zum Geschenk

Es gibt sie. Die Trauer, die mich, seit ich bin, überfällt. Oft aus dem Nichts. Sie ist mein frühester Begleiter. Und kam zu mir noch vor der ersten Erinnerung. Nie konnte ich sie fassen. Ich hatte zwar viele Vorstellungen von ihr. Keine davon traf aber wirklich zu. 

Lag es daran, dass sie kein Gesicht hatte? Es muss wohl so sein. Denn, nach vielen Jahren schenkte sie mir einen Sohn. Er war es, der meiner Trauer ein Gesicht gab.

Seitdem wandelt sich die Trauer. Sie lässt mir, seitdem sie sich zu erkennen gab, Handlungsspiel. Es sind heute Handlungen, die aus dem lebenden Gesicht der Trauer hervorgehen, mit denen ich anderen Seelen, die ebenfalls trauern, neue Hoffnung schenken kann. 

Ich kann ihnen dabei helfen, dass sie das Gesicht ihrer Trauer erkennen lernen.

So kann ich mich doch noch glücklich schätzen. Ich wurde zur Priesterin der Trauer. Und kenne ihren Tempel, an dem meine Gebete erhört werden. Dieser Tempel findet sich im süßen Angesicht meines Sohnes, dessen wilde und doch sanfte Augen mich täglich schauen.

Heute ist der Tag, an dem ich ihn wiedersehe, wie an dem Tag, als ich ihm sein Leben gab. Es blieb für immer ein Geschenk an ihn allein, über das ich nie verfügen durfte. Sosehr ich das auch gewollt hätte. 

Die Trauer hat es mich doch noch gelehrt. Das Wesen eines Geschenks, das als Geschenk der Trauer zu mir kam.

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