'Brüderlichkeit' - eine Ermahnung zum Frieden ohne Herzeleid
Für den langen Weg einer Pilgerfahrt braucht es wenig. Den Mut nur des Aufbruchs aus Gewohnheiten. Den Mut nur, sich auf Neues und Unbekanntes einzulassen. Altes hinter sich zu lassen. Auf dem Weg, abseits alltäglicher Nöte, ist man in der überwältigenden Natur gut aufgehoben. Umsicht ist gefragt. Sicherheiten stellen sich in Frage, Unsicherheit weicht dort einer Sicherheit, die nicht absichert, sondern der man sich öffnet, damit sie sich vollziehen kann.
Gefangen ist man allein in eigenem Gedankengut. Gefangen, eingebunden und aufgehoben mit jenen Worten, in denen wir uns mitteilen. Die Sprache, in der wir uns üben, wird so gewissermaßen unser Schicksal.
Zwischendurch liest man Worte, anders gesetzt, als man dies selbst täte. Die — einmal gesetzt — Bedeutungen verschieben, indem sie sich in unser Denken selbst einnisten. Daraus kann fruchtbares entstehen ... im Wesen der Offenbarung.
Ich kehre zurück von meiner Pilgerfahrt und bin doch immer noch nicht ganz zurück. Und stoße in dieser Stimmung auf einen philosophischen Text über gesellschaftliche Werte, denen wir vertrauen und die uns Sicherheit vermitteln wollen. Weil es sich um Werte handelt, auf deren Grundlage sich eine freiheitliche Ordnung entwickeln konnte: unsere vielbeschworene Demokratie.
Der Text, von dem hier die Rede ist, würde verfasst vom französischen Philosophen und Theologen, Jean-Luc Marion, abgedruckt in der katholischen Zeitschrift communio und trägt den Titel Brüderlichkeit — eine Gabe des Vaters.
Brüderlichkeit vom Vater? Ist das nicht widersprüchlich? Muss das nicht Unsinn sein, katholisch-religiöser Unsinn? Reflexhaft ist der Widerstand gegen das Lesen eines katholischen Textes heutzutage, nicht wahr? Wo doch klar sein müsste, jedem Menschen klar sein m u s s , dass Texte, die in einer katholischen Zeitschrift erscheinen, nichts Gutes im Schilde führen können. Wollen solche Texte doch nicht weniger, als die Restauration uralter Glaubensätze, über die das Urteil längst gesprochen ist, und die aus einem 'vergiftigeten' Umfeld stammen, das sich selbst durch Gewaltorgien, höchst sexueller Natur noch dazu, längst selbst delegitimiert hat. Aus der Zeit gefallen ist und sich ohnehin bald selbst abschafft. Kann man denn heute noch so denken, wie diese verhasste Institution immer noch denkt? Unbeirrt d a r a n festhalten; einfach schändlich!
Ich stelle die Gegenfrage: «Woran wollen wir heute noch glauben? Wie wäre es mit den Werten, deren Geist die Präambeln demokratischer Verfassungen schmückt: Liberté, Égalitè, Fraternité?«
Nun, Jean-Luc Marion nimmt sich dieser — nicht hinterfragbaren, weil universeller — Werte an, indem er sie kritisch hinterfragt. Und argumentativ schlüssig nachzuweisen sucht, warum sie — unerkannt aufgehoben in Widersprüchen — einer Selbsttäuschung unterliegen. So bieten diese unibersalistischen Schlagworte — an innerer Überzeugung 'erblindet' — heute oft nichts als reinevAbsichtserklärungen, die sich daher in realen gesellschaftlichen Zusammenhängen nicht umsetzen lassen. Sie werden ideologisch missbraucht, lediglich ausgebeutet, um in ihrem Namen Gewaltherrschaften, linken wie rechten Gedankengutes, zu errichten. Allein aus dem Grund nämlich, dass sie auf Fehlannahmen aufbauen, die nicht zuende gedacht sind. Jean-Luc Marie aber unternimmt den Versuch, die Grundlagen dieser Täuschungrn aufzudecken um sie durch Umschichtung und Hinzufügungen neu zusammenzusetzen. Die Verkündigung des christlichen Glaubens mit dem Geschehen am Kreuz liefert dabei den Ausweg aus aufgedeckten Aporien; diese Kröte müsste der interessierte Leser allerdings schon schlucken. Was er vermutlich nicht tun kann, nicht tun wird. Denn weiterhin muss gelten: Was nicht sein darf, kann nicht sein!
Wer aber als Leser frei und unbefangen bleiben möchte und auch jenen Mut aufzubringen imstande ist, von dem eingangs die Rede war, nämlich unter anderem auch Texte zu lesen, die Aporien bloßlegen können, mit denen wir trotz bester Absichten und Gewissheiten uns meist selbst torpedieren, der findet diesen Text unter:
https://www.herder.de/communio/hefte/archiv/54-2025/4-2025/bruederlichkeit-eine-gabe-des-vaters/
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