Coronazän, ein modernes Regime?

Lieber XXX, 

Herzlichen Dank für die Darlegung "geistigen Outputs", dem ich Ähnliches in der mir eigenen, sehr persönlichen und "drängenden" Sichtweise gerne anheim stellen möchte. Jedoch in deutlicher Differenz: mich mit Weisheit und somit mit einem "Fasse Dich kurz" zu schmücken, will mir weder recht gelingen noch scheint es mir überhaupt notwendig. Ich übe mich geradezu meine Ausführungen "kontingent" zu halten (also jeweils mindestens immer das Gegenteil vom Gedachten mitzudenken). Das bemühen um Kontingenz führt in meinem Fall jedoch zu sprachlicher Inkontinenz...und ufert somit aus. 

Inkontinenz könnte Folge aus permanentem "Abbrennen alter Wunden" sein, eine schrill lodernde Leidenschaft in mir, deren Ursprung vermutluch familiär verwurzelt ist, weniger von äußeren Triggern befeuert sein würde; suchte ich sie selbst nicht genau dort. Ein "innererer" Antrieb, der seinen Spiegel im "Du" zu finden sucht. Schließlich will auch ich aus uralter Sehnsucht geliebt werden! 

Ich fühle mich in Anbetracht meines gelebten Lebens zwar irgendwie als Glücksfall; bin ich deshalb also nun..."ein Glücklicher"? In jenem Aussen finden sich stets Gründe, warum Leben grundsätzlich sorgenbehaftet, und daher als unvollkommenen, erscheinen will (im "Wort" zur Schöpfung durch das Verhältnis von Gott zu Mensch gar sein soll...stellt nicht der Mensch erst jegliche Relation erst her?). Das "Geworfensein" aus einer wie auch immer gedachten ursprünglichen Einheit in eine sich in der Zeit noch entfaltende, kontingente Vielheit qua Geburt...ist Zeit nun ewiges Kontinuum oder doch eher personaler Vollzug? Die epikuräische Forderung zum "Carpe diem" spräche für einen je individuellen Vollzug. Es geht rund um die Individualität nun mal letzlich um Leben und Sterben, Werden und Vergehen; so ist das Gelingen und Nicht-Gelingen des "Verlaufs in der Zeit" jederzeit ernst zu nehmen. Gleichgültigkeit dem Geschenk des Lebens gegenüber läge mir deshalb fern. Allem, was mich umgibt und was mich (scheinbar) erfüllt, will ich so einem tieferen Sinn zuschreiben wollen. Und großartige Schönheit und gleichzeitig auch notwendigen Trost finde ich im Gedanken: solange wir Leben, erschöpfen wir im gleichen Maße dasselbe; es ist die Quelle, aus der wir trinken und in die wir im selben Moment schon wieder verströmt werden. Nie sollten wir an etwas festhalten, immer unser Selbst fließen lassen, nie etwas kontrollieren müssen, und uns dem Lebensfluß, dem Zufall ganz hingeben können. Panta Rhei. 

Hat denn der "Pieks" für Dich/Euch etwas Erleichterung und ein Gefühl von mehr Schutz in diese "geviruste" Zeit bringen können? Ich würde es uns allen so sehr wünschen, dass dem so sei. Melitta und ich aber reiten irgendwie und weiterhin auf einer trügerischen Welle aus naiver Hoffnung, dass ein "Wegspritzen" der lebensbedrohlichen Pandemie auch mit einem "Vergessen" damit einherginge. Und uns demnach von einer "Verpflichtung" zur Impfung frei-sprechen würde. Entgegen aller (medizinpolitischer!) Vernunft würden wir doch lieber in unserm unsinnigen Gefühl, auch ohne Pieks ausreichend geschützt zu sein, verbleiben wollen. Ich selbst wohl noch entschiedener als Melitta. Dürfen wir aber? Gleichwohl, ich weiß um die Torheit dieser Haltung. Für die wenig Verständnis zu finden sein wird - weder innerhalb meiner Familie noch bei Freunden. Ich fühle mich daher aus eigener "Torheit" ausgestoßen, allein und verlassen. Das ist meinem Glück einerseits abträglich, andererseits gibt dies meinem Ego tieferen Sinn. Sinn verkleidet in politisch-inkorrekte Vernunft. 

Kurz: ich hadere zutiefst mit unserem Gesundheitsregime. (Nicht per se dem Momentum des Coronaregimes! - außer in seinem Streben nach Verstetigung) Die Kritik: das Regime schützt nicht unser Leben; es raubt ihm die Hoffnung auf gutes selbstbestimmtes Leben und will uns "Vernunft" stehlen, indem es innerhalb des 'Vernunftdiskurses" sämtliche Räume geradezu okkupiert und zu dominieren sucht. Hoffnungsschimmer: Beitritt zur neuen Partei Die Basis? Wer verträte sonst noch "Torheit" im politischen Geschehen (ausser Politik selbst)? 

Daher die Flucht in "glaubende, hoffende, und somit ewige Torheit". Darin wollen wir weit mehr Vernunft erkennen, als im Kurzschluss "dargebotener", somit schaler moderner Medizintechnik. "Timeo Danaos dona ferentes" - ich fürchte, was mir von Menschen mit Absichten freimütig geschenkt wird! 

Wie auch immer; Melitta und ich halten uns mit Arzt- oder Impfstraßenbesuchen (noch) tunlichst zurück. Überlassen das Anrecht auf Schutz gerne anderen, noch lieber unseren Nachkommen, die Ausgelassenheit und Leben noch feiern wollenSollen SIE es tun dürfen; wir dagegen treten in Anmutung "heroischer Selbsthingabe =Torheit" freiwillig zurück!

Torheit diente mir schon häufig als Ratgeber. Zu meinem Glück, wenn ich zum Beispiel auf meine Kinder schaue. Obwohl doch jeder "vernünftig" denkende Mensch damals gleich "wusste": Georg, lass es! Das wird nichts und bringt Dir nichts als Schwierigkeiten. Wie recht sie hatten! Doch bot mir auch diese schwierige Zeit Erkenntnis, deren "Erleben" mir rückblickend überaus wichtig erscheint. Vernünftig war es mitnichten. Aber es ist Teil meines Glückes. Und lässt mich Demut und Dankbarkeit empfinden. Torheit macht mein Leben überreich an Lebendigkeit und Selbstwirksamkeit.
Gleich zu Beginn des ersten Korintherbriefs heißt es dazu in Vers 25: "Denn das Törichte an Gott
ist weiser als die Menschen
und das Schwache an Gott
ist stärker als die Menschen." In skeptischer Abgeklärtheit und leichter Modifikation ließe sich mit den Worten Max Ernsts frei und frivol entgegnen: Ja, dennoch, "nichts ist weiser als die nackte Frau!"

Und so wage ich auch Torheit bezüglich meines Misstrauens gegen den "Pieks" durchs Dorf treiben. Für mich, nur für mich, schätze ich das Risiko sehr gering ein (weit mehr 1:5000 - welch eine große Metapher diese Zahl!) an der Seuche zu Grunde zu gehen, das Gesundheitssystem zu überlastet oder andere durch meine Torheit in Gefahr zu bringen. 

Was andere sogleich mit Recht als puren Zynismus entlarven könnten, würde ich für mich sehr wohl gelten lassen: meine arglose, wenngleich dionysische Haltung den apollonischen Impfschutz zu verweigern, würde nach heutiger Logik zudem statistisch unser Rentensystem entlasten. Aber dem Regime der "Gesundenstatistik" wäre dies ein Dorn im "weitsichtigen" Auge. Der Stachel im Fleisch der Vernunft lässt sich somit in meiner "kurzsichtigen" Unbeugsamkeit verorten, die mich Statistiken und einem "Durchschnittswert" an Risiko nicht beugen lassen will. Soll mir diese Freiheit, genau so denken und fühlen zu dürfen, tatsächlich qua Staatsräson verweigert bleiben? Mit meiner Haltung würde man ausgeschlossen aus der Gesellschaft, oder gezwungen sein, sich fast täglich frei-testen lassen zu müssen?

Vernunft darf nicht nicht pro "verordneter persönlicher Gesundheit" argumentieren, wenn zugleich Freiheit damit unzumutbar beschnitten wird, lautet mein Postulat. Freiheit versus Sicherheit. Gesundheit betrifft mich persönlich. Sicherheit die Gesellschaft. Wiewohl es bereits jede Menge Ausnahmen in anderen Bereichen gibt, die ich in der zeitgemäßen Form für zulässig, gar notwendig, halte (Waffenrecht, Führerschein, Scheidungsrecht). Und deren Verweigerung sanktioniert werden darf (nicht Muss!). Damit wäre ich einverstanden. Ich darf dennoch verlangen, daß die Belastung - selbst für Toren wie mich - zumutbar bleiben muss. Schließlich trage ich mit meinen Abgaben aus Steuern und Versicherungsbeiträgen auch die gesellschaftlichen Investitionen in die erfolgreiche Entwicklung von Wirkstoffen, die sich innerhalb kürzester Zeit abschreiben sollen. Unvernunft schmälert den absoluten Erfolg und wird daher bekämpft. Und Unvernunft steht als Zähler über einem Nenner, der nicht für Fortschritt, allenfalls für Rückschritt in dieser Diktion taugt. Jedoch stünde zu befürchten, dass unser Leben zur nackten Nummer heruntergebrochen wird. Und individuelles Freiheitsempfinden einem Regime geopfert werden muss. In den Worten von Kant: "Freiheit, sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehende Recht." Dieses elementare Recht sehe ich mit den nicht enden wollenden Corona Maßnahmen stark in Frage gestellt. Ich will mich auf Kant berufen dürfen. 

Im Übrigen wurde vor wenigen Tagen in Deutschland ein neues "intertemporales" Recht durch höchstrichterlichen Beschluss ins Rechtswesen implementiert, der das "Recht der Zukunft" mit denm "Recht der Gegenwart" zu verknüpfen sucht. Ein höchst interessanter Entscheid des deutschen Bundesvefassungsgerichts. Der Entscheid betrifft zunächst "nur" Klimafragen, er weckt die Hoffnung auf die Orientierung "künftiger Rechtssicherheit" von Gesellschaften auch innerhalb weiterer Rechtskörper. 

Gemach, gemach schallt es mir aus dem Off entgegen:" Leben und Sterben im Coronazän muss jetzt ernst genommen werden. Damit darf nicht gescherzt werden!" Eben. Das ist der größte Witz unserer Zeit! Bei Heinrich Heine findet sich hierzu: "Ja, wie der Mensch, wenn er leidet, sich ausweinen muß, so muß er sich auch auszweifeln, wenn er sich grausam gekränkt fühlt in seinen Ansprüchen auf Lebensglück; und wie durch das heftigste Weinen, so entsteht auch durch den höchsten Grad des Zweifels, den die Deutschen so richtig die Verzweiflung nennen, die Crisis der moralischen Heilung." - wie verhielte es sich mit dem, der sich für gesund hält und keiner Medizin bedarf? MUSS er trotzdem? 
Nun gut. 

Wie aber finde ich, angesichts meiner Inkontinenz, nun den Bezug zu anderen (wichtigeren?) Themen, die unsere "feuilletonistische Zeit" doch stets in reicher Zahl hervorzubringen vermag. In eigens dafür geschaffene Echoräume projeziert und dort durch die Resonanz seiner Konsumenten reichen Widerhall findet. Ich vermeine hier auch Deine in einer früheren Email geäußerte Kritik am (an meinem) "feuilletonistischen Sein" verorten zu können. Ich darf in diese wohlfeile Kritik hiermit einstimmen, wenngleich wiederum (vermeintlich) in Opposition argumentierend. Persönlich lese ich aus zeitgemäßem Feuilleton ein Paradox aus Meinungen und Stimmungen ohne klar umrissenes Ziel heraus. Höchst kontingent! Für mich, dem (wortspielhaft) Muße in reichem Maße geschenkt wird, ein wahrer Schatz! Feuilleton, wie ich es rezipiere, fungiert quasi als eine Art Perpetuum mobile, produziert für den Unrast unseres Geistes, befeuert aus allzumenschlicher Not nach Sicherheit, mit Gier nach (noch mehr) Leben, stets eingebunden in schmerz- und lustvolles Libido sexueller Sublimierung. Als eine Art utopischer "Sehnsuchtsort" jedes Zeitalters. Unsere Zeit lässt mich derzeit leider eher an ein biblisches Sodom und Gomorrha denken, mich, als Schelm, der gerne Böses in jedweder  "politischen Correctness" entdecken möchte. Weiter unten mehr dazu.  

Und natürlich, lieber XXXXX, war die Metapher "Coronazän" nichts als Provokation gegenüber der Eindeutigkeit unseres Begriffs vom Anthropozän. Als wäre die Menschheit gut damit beraten, sich gegenüber einer Jahrtausende alten, in sich  "gütigen" Natur als "Wissende" aufschwingen zu wollen. Was meinen wir denn schon in anmaßender Kurzführung aus der Zeitreflexion weniger Jahrzehnte zu "wissen"? Angie's Weisheit, dieses Wissen sei ohnehin "alternativos", will unbedingt hinterfragt sein: wäre keine Antwort auf "das schaffen wir" nicht vielmehr - vielleicht, vielleicht - gar weise? Sag es mir, bitte! Hat sich nicht Hararis Halbgott "Homo Deus" inzwischen längst zum Herrn dieser Welt aufgeschwungen? Umsomehr wäre er, wie sein biblischer Urahn, zu fürchten. Mit "Angie" ist übrigens nicht die in mir immer noch "heulende" Hymne an die Liebe unserer Jugend, sondern vielmehr die Allmacht aus dem BKA gemeint. 

Allzu sehr fürchte ich in zeitgenössischen Diskussionen die wachsende Abhängigkeit von "Wohltaten", mit der uns eine immer mächtige Staatsdoktrin beglücken möchte, unter der Tarnkappe kapitalgedeckter "Notwendigkeiten", die jegliches Umdenken a priori zu unterbinden sucht. A Posteriori würden Natur und somit alle Geschöpfe wohl einmal die Zeche zahlen müssen mit zunehmend wachsender Abhängigkeit von "sozialstaatlichen Wohltaten" , wie Gratis-Impfungen, "grüner" Politik und sonstiger "Vernunft". Wer würde diesen wichtigen Schritt wagen, wenn nicht die Grünen, mit Annalena Baerbock und Robert Habeck. Jedoch: gut gemeint muss mich notwendigerweise einmal gut gemacht bedeutet haben. Es bleibt kritisch. 

Aber jetzt mal halblang. Noch ist ja nichts entschieden. Vielleicht aber bekommst Du eine Ahnung davon, worin sich meine eigenen Ängste verorten lassen?

Wo bitte bleibt die Freiheit offener Diskurse? Ist das Heilsversprechen "Gesundheitswesen" nicht längst  renditeorientierte "Krankenverwaltung"? Wohin ist die Tugend "Selbstverantwortlichkeit" entschwunden? Ganz konkret: die  Selbstverantwortung persönlicher Gesundung an Leib und Seele? Etwa längst alternativlos überantwortet einer "toxischen" Traum- und Bildindustrie aus Hollywood oder im Heilsversprechen industrieller Pharmakoindustrie? 

Lieber XXX, ich hoffe Du willst hinter meinem "geistigen Output" mehr erkennen, als lediglich Provokation. Ich mache mir natürlich - wie wir alle - Sorgen, dass wir die Dringlichkeit eines Ausstiegs aus der "Exponentialität" in den Fängen der Kapitalwirtschaft weiterhin nicht ernst genug nehmen. Ich für mich habe zwar keinerlei Vorstellung davon, wie dies vonstatten gehen soll. Aber ich höre die Worte MEINER "Echräume": darin spricht ein Freiburger Soziologe, dessen Namen mir leider entfallen ist, in einem Artikel zu Beginn der Pandemie davon, dass durch die Bekämpfung des Virus infolge der Maßnahmen, jedes "zusätzlich erkaufte Jahr", unter Vermeidung des Sterbens im Hier und Jetzt aufzuschieben, in weiterer Folge die nächsten Generationen zehn Jahre ihres (noch "nicht gelebten") Lebens "kosten" könne. Ein Thema, das uns, Melitta und mich, arg bedrängt. Lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, wenn ich im Schicksal unseres lieben Thomas, im Leiden meiner verstorbenen Mutter, nach jahrzehntelangem Medikamentenmissbrauch, unserem Gesundheitsdenken eine "Mitschuld" attestieren möchte, wie sie die "Funktion Gesundheit" als eigentlicher Nutznießer ihrer Kapitalrendite manipulativ steuern möchte? In der aktuellen Krise mehr als deutlich und mehr denn jemals ZUVOR? Unser Gesundheitssystem in der derartigen Form könnte der "Leviathan" aus der Urzeit menschlicher Angst sein, der sich alles zu unterwerfen sucht und sich unter unserem Beifall als Erlöser feiern lassen wird. Am Ende der Krise wird sie ihren Tribut in Form weiterer Subvention durch Staat und Gesellschaft einfordern. Ein weiterer Baustein im Paradox, von dem oben die Rede war. 

Vielleicht aber sind meine Befürchtungen, meine persönlichen Ängste weit übertrieben. Wie stets will ich auf die Vernunft und das Gute im Ebenbild Gottes auf Erden vertrauen. Anders als es Mark Twain süffisant anmerken ließ: "Nachdem Gott den Affen geschaffen hatte, machte er den Mensch. Danach verzichtete er auf weitere Experimente."

Oben nahm ich mehrfach die Metapher "Mut" und "Anmutung" in Gebrauch. Diese Metapher ist ein Fixpunkt - und war es von jeher -, von dem aus ich mich "leidenschaftlich" fühlen und führen ließ. In der platonischen Philosophie ist sie als "thymotische Motivationskraft" beschrieben und verankert. Ich beschreibe sie für mich gerne als eine Art "Urkraft", die mich gleichermaßen umfängt UND bedrängt, die mir Mut gibt zum Widerstand aber auch die Furcht, mich in meinem Mut nicht zu überheben. Hier fühle ich mich (leidenschaftlich) angebunden an die Ideen des Reformpädagogen Kurt Hahn, der mir erstmalig bei Netflix in der famosen Serie "The crown" untergekommen ist und über den zuletzt im Feuilleton der NZZ vom 11.Mai 2021 getitelt "Der Pädagoge, der Prinz Phillip formte" zu lesen war:
"Anders als viele pädagogische Erneuerer hielt Hahn seine Ideen nicht für originell. Ganz offen gab er zu, überall geklaut zu haben: «von den Pfadfindern, den englischen Public Schools, Plato und Goethe». Erschrocken fragte ihn ein amerikanischer Bewunderer: «Sollte Ihr Ziel nicht Originalität sein?» Hahn antwortete trocken: «In der Medizin wie in der Pädagogik muss man die Weisheit aus Jahrtausenden ernten. Wenn Sie je auf einen Chirurgen stossen, der Ihren Blinddarm auf die originellste Art herausnehmen will, rate ich Ihnen, einen anderen aufzusuchen.»". So sind auch meine Ausführungen zu Corona, Klimawandel und überhaupt zu lesen; alles sehr schön, nicht jedoch originell! 

In der antiken Weisheitslehre, griechischer wie jüdischer, scheint die Dualität des Seins noch nicht so sehr weit aufgebrochen, wie in der Philosophie der Aufklärung hin zur Neuzeit. Im Griechischen zum Beispiel schwingt in einem Wortbegriff oft noch das "Gegenteil", von dem mit, was eigentlich ausgesagt werden soll. Je nach Kontext, in dem er gebraucht wird, wird das eine UND auch das andere gemeint. Herrlich ambivalent! Oder wie etwa im Weisheitsbuch unserer Bibel in Kohelet 3,1-8 wunderbar in ganzer Ambiguität gegenübergestellt. 

Ich drehe mich zurzeit im Kreise um meinen christozentrierten Glauben an eine Ewigkeit und um die Weisheit im Gegenständlicheren des jüdischen Denkens und Empfindens. Einen festen Urgrund vermeine ich im Aufgang (Oriens) der fernöstlichen Weisheit und Philosophie zu finden. Vor ein paar Tagen kam mir das Buch der Wandlungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm unter. Außerordentlich stoßend, daher sehr lesens- und spielenswert...spielte es uns doch H. Hesse im Glasperlenspiel vor.

Zuletzt noch ein Ausblick in die unmittelbare Zukunft meiner "Reflexionen". Darin will ich versuchen, meinen Blick aus dem Vergangenen in die Zukunft zu bündeln. "Ich werde der sein, der ich sein werde" heißt es dort im Original der Offenbarung Gottes am Sinai, der Thora. Die Septuaginta und später die Vulgata wird daraus den Blick zurück verkürzen auf die Gegenwart und sagen: "Ich bin der, der ich bin." Ich meine, dort beginnt eine frevelbehaftete Kurzführung und meine in dieser Kurzführung gar den Ursprung allen Bösens zu erkennen. Hannah Arend verschlägt es im Prozess gegen Adolf Eichmann in Israel den Atem und lässt sie das ruchlose Geschehen als" Banalität des Böses" reüssieren. Dieser unfassbaren Erkenntnis will ich versuchen wieder Hoffnung einzuhauchen, indem ich mit dem Begriff "Die Arglosigkeit des Guten" versuchen werde zu argumentieren und im Rückgriff auf die aristotelische Philosophie, über Karl Jaspers und Hans Jonas hinaus etneut einen gütigeren und friedvolleren Blick zu entwickeln. Der zeitliche Abstand zum Holocaust lässt wieder Luft in die Diskussion. Hoffentlich.

Alle meine bisherigen Texte sind durchwoben von Metaphorik und mit "Anführungszeichen" eingefasst in separate Deutungshorizonte. Wenn "Im Anfang war das Wort" wirk-lich sein sollte, dann ist das Offen-Halten von Sprache dessen Anlass. Wer wollte dies beklagen? Dennoch: wäre ein Weniger dieser Zeichen nicht bald notwendig, weil etwa doch bereits spruchreif? 

Noch habe ich keine Vorstellung, wie ich den Anfang dieses Unterfangens setzen will: "Es wird dazu kommen, wozu es kommen sollen wird", lässt sich etwas sophistisch immerhin schon jetzt dazu anmerken. Ist die Zeitlichkeit unserer gegenständlichen Sprache modifizierbar? Bräuchte der Blick in die ferne Zukunft bereits ein Fururum III? Als notwendiger Gegenpol beständig altender Vergangenheit, die uns entflieht?

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