In der Wüste des Herzens (Entwurf)

Dem modernen Menschen fällt es schwer, sich einer weiteren Realität als die der wissenschaften Erkenntnis anzuvertrauen. Daher ist die Welt der Geister und Dämonen, der Engel und der Gefallenen, das wortreich verkündete Wort vom Reich Gottes seltsam fremd und unerreichbar geworden. 

Es scheint gerade so, als dass sich Gott diskret aus der Welt zurückgezogen hat. Selbst sein Bild, dem er entsprechen könnte, obwohl doch geboten ist, uns von ihm kein Bild zu machen, ist längst übermalt von Abbildern neuer Götter, menschengemachter "Götter" Unser Bild auf Frieden. Unser Bild auf Wohlstand. Unser Bild auf Gesundheit. Unser Bild vom Glück.

Wir sind zurückgeworfen in die Wüste unseres Herzens. Zweifel nagt und martert unsere Seele, die Relationen im Aufrechnen und im Vergleich unterschiedlichster Dimensionen verwirrt unseren Geist. Sind wir noch Mikroben einer Schöpfung? Sind wir bereits Sternenhaufen eigener Vorstellung? Wohin ist unser Zuhause entschwunden? Unsere Seele, wohin soll sie sich wenden? Selbst das DU geht uns verloren, das Aussen wird zum Echoraum des eigenen Selbst. Die alte, bekannte Welt ist lediglich noch verblieben in der Wüste unseres Herzens.

Blaise Pascal war einer der ersten modernen Menschen, der diesen überdimensionalen Verlust mit der Verwüstung unseres Herzens in den Blick genommen und in Beziehung gebracht hat. Er war als Philosoph und gelehrter Mathematiker nicht mehr gebunden an das theologisch begründete Bilderverbot der alten Kirchen und Religionen, das die neuen Kirchen seit der Renaissance zur höchsten Kunstform erhoben hatte. Somit macht sich der moderne Mensch sehr wohl ein Bild von Gott wenn auch ein höchst anthropologisches Bild, in dem nicht mehr Gott Mittelpunkt ist, sondern verfügbar gemacht in einem Passepartout menschlicher Gefälligkeit. Nicht mehr der Mensch sollte Gott gehorsam sein, sondern Gott dem Menschen. Gott ist für tot erklärt. Der Mensch endlich befreit und selbstreferentiell.

Seitdem dem Tod Gottes, seiner gewaltsamen Vertreibung aus dem menschlichen Paradies, sind einige Jahrhunderte vergangen. Denker wie Blaise Pascal, Friedrich Hölderlin Søren Kierkegaard und vieler anderer bis hin zu Friedrich Nietzsche haben gegen diesen ungeheuren Verlust, der in eine vollständige Trennung von Natur und Geschichte mündet, angeschrieben. (siehe weitere Erläuterungen im Nachwort vom Herausgeber der Kierkegaard'schen Schriften "Christlichen Reden" Wilhelm Kütemayer). Die alten Erzählungen mit einem Gott, der Geschichte UND Natur "mit seinem Wort" innerhalb einer einzigen Sphäre noch schlüssig erschaffen hat und (er)tragen hilft, ist gänzlich einem neuen Narrativ gewichen, in dem ein sich zentral empfindender Mensch - nicht einmal mehr die Menschen als Gemeinschaft! - vollumfänglich verantwortlich für den Zustand von Geist und Natur ist, aber nicht mehr rechenschaftspflichtig ist, vor nichts weiter als vor sich selbst. Zu befürchten und zu diagnostizieren ist; er steht jetzt in der Wüste seines Herzens. In Eitelkeit und Sünde. Der moderne Mensch sollte mit dieser Diagnose zu Recht entrüstet sein.

Zudem hat sich die Verwüstung seines Herzens metaphorisch bereits in der vom modernen Menschen geschaffene Welt materialisiert. Die Verwüstung der Welt hat seinen Ursprung allenfalls in der Verwüstung des menschlichen Herzens. Die Natur schweigt. Wie Gott scheinbar schweigt. Wo sich Gott im menschlich diagnostizierten Tod zurückgezogen hat, ist er außerhalb dieses Denkens selbstverständlich weiterhin höchst lebendig. Alles das, was die Welt NICHT ist, was außerhalb von uns modernen, gottbefreiten Menschen  wohnt, ist weiterhin und zutiefst göttlich Gott. Er existiert selbstverständlich weiter; wer noch bereit ist zu hören, dem schreit das Leid der Welt, das Leid der in der Wüste verstreuten "Ebenbilder Gottes" laut und schrill in den Ohren. Gott hört diese Schreie seit Adam. Höre Israel, heißt es deshalb auch heute noch, trotz verschiedener Bündnisse, die im Wort Gottes erzählt und in der Wüste des Herzens nicht gehört werden. Gott hat seinen Sohn gesandt, damit der Mensch wieder höre. Er hat sich selbst entäussert und dahingegeben. Von Gottes Seite steht der Bund vom Beginn aller Tage an, an dem er den Menschen aus Lehm geschaffen hat und mit ihm die Schlange, auf dass sie durch IHN verführe und seine Schöpfung verführt würde, damit sich im Erleiden das Ohr endlich öffne, um das Heil eines barmherzigen, gütigen Gottes erfahrbar zu machen. So schildert es die Thora, die fünf Bücher Mose, so versucht es der messianisch, jüdisch empfindende Jesus seinen Jüngern und seiner Gefolgschaft auch heute noch zu erklären. Wenn man bereit ist zu hören.



Durch die Taubheit unserer Ohren, sind auch unsere Augen blind geworden für die Schönheit der Schöpfung. Unsere Herzen dürsten in der Wüste unserer Existenz. Positiv gewendet handelt es sich historisch immer noch um den Auszug aus der Wüste. Durch Buße und Einkehr in der Fastenzeit durchwandern wir die Wüste. Doch der Karfreitag ist nahe. Verwüstung geht größter Gotteserfahrung voraus. Wer heute nicht leidet hat von Geschichte und Natur noch nichts verstanden und verbleibt in der Wüste seines Herzens. Im Morgenrot liegt das Land, das Milch und Honig verspricht.




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