Epilog - Bearbeitung Version 230127
EPILOG
TAVIA
Mit einigem Zögern nimmt sie das Taschentuch auf, blickt es in beiden Händen haltend an, wie aus ihm zu lesen. Schließlich erhebt sie den Kopf und schaut traumverloren ins Publikum
HOFMANNSTHAL
betritt mit leisen Schritten die Bühne, stellt sich seitlich neben Tavia und legt ihr sanft die Hand auf die Schulter.
Mein Kind, es könnte scheinen, als wäre hier
zeigt auf die Bühne
mit Fleiß und Mühe das Bild einer vergangenen Zeit gemalt, doch ist dies nur Täuschung und hält nicht länger dran als auf den ersten flüchtigen Blick. Die Sprache ist in keinem Buch zu finden, sie liegt aber noch in der Luft, denn es ist mehr von der Vergangenheit in der Gegenwart als man ahnt, und weder die Faninals, noch die Rofranos, noch die Lerchenaus sind ausgestorben, nur ihre drei Livreen gehen heute nicht mehr in so prächtigen Farben. Von den Sitten und Gebräuchen sind diejenigen zumeist echt und überliefert, die man für erfunden halten würde und diejenigen erfunden, die echt erscheinen. Auch hier ist ein lebendiges Ganze und man kann den Figuren ihre Redeweise nicht vom Mund reißen, denn sie ist zugleich mit ihnen geboren. Es ist gesprochene Sprache, mehr als sonst vielleicht auf dem Theater, aber sie will nicht für sich allein das Fluidum sein, von dem alles Leben in die Gestalten überströmt, sondern mit Musik im Herzen auch wieder hinaus in die Welt.
schaut fest ins Publikum, seufzt
Mein Kind war, als es uns zu früh, viel zu früh verließ, in deinem Alter. Ich wünschte du, die du so bist wie du bist, wärest ihm in seiner Zeit zur Freundin geworden. Jetzt aber bist Du mir Trost. Trost jenes im Wachsen zu sehen, wovon ich einst nur zu hoffen wagte. Ein reines, unschuldiges Herz. War doch die Zeit nicht reif für uns, so wie wir nicht für sie
hält kurz inne
jetzt aber vermag ich sie aufrecht, direkt vor mir, neu zu sehen!
im Rhythmus aufsteigend und wieder absteigend
…Zeit einer Liebe, einer Hoffnung. Zeit, für mich, für alle! Dank Dir, mein Kind!
TAVIA
Während Hofmannsthal gemessenen Schrittes abgeht, tastet Tavias Hand zögerlich nach der Hand, die dort eben noch lag. Schließlich legt sie die Hand auf's Herz
Wie in Trance
Dank mir? Die so ist, wie ich es nur bin? Ein reines Herz?
Was musst' ich hier erfahren?
Noch einmal ein kurzes Suchen nach der Hand auf ihrer Schulter, Hand wieder auf's Herz
Als Kind klein, wie ausgeliefert, jungfräulich, und überaus zart? Jetzt aber, was lässt unsereins schon erahnen?
Umfangen hat mich die Liebe, ihr geb' ich mich allzugern' preis!
Wird sie tragen, als ich, SO jung noch, schon weiß?
flehentlichSchwür' auf Ewigkeit, Theres', hab ich's Dir nicht liebend versprochen? Alls von mir, auf ein' Schlag, gebrochen?
wiegt ungläubig den Kopf
Wiederum nicht zerbrochen auch?
tief berührtDeine Tränen waren Meere, bis zum Rand hin gefüllt.
Jedoch...
schaut auf das Taschentuch, spannt es aus
...dein Band trägt weit, weiter als Sehnsucht und Schmerz, Ich spür es, spür es, s'geht mitten ins Herz.
Hab' ich's gelesen, hab' ich's verspürt? Hat SIE es MIR vorgesagt?
s'gibt es eine Zeit, geboren zu werden und eine zu sterben?
Eine zum Weinen und eine zum Lachen?
Eine Zeit, sich zu umarmen und eine, wieder zu lösen?
Zeit für ein Frühstück?
Hab' ich das von ihr, der Lieben, vernommen?
Und in dem "Wie", da liegt der ganze Unterschied!
Von Zeit und Ewigkeit war grad noch die Red'
und ich befragt, versucht, verwirrt?
Wer bin ich, die solches, um meins willen, erfährt? Nur ich, die so ist, wie ich es nur bin? Am End'? Das g'hört, zu unser selbst willen, geklärt. Bin nicht auch ich, wie alle es sind?
laut
Ein Ochs, eine Solina, ein Valzacchi, eine Annina? Eine Theres', eine Sophie?
Nicht weniger als alls zugleich, schier endlos Kopie?
leise
Mich träumte
von Rittern und Drach'n, Pfaff'n und Lakl'n?
Und nun?
schüttelt den Kopf
Jetzt träumt' mich, nie sind wir allein. Wir waren, wir sind, werden noch kommen, auf dem Weg zu zwein
Wort für Wort betonend
und das, will's kaum glauben, einand' friedlich gesonnen?
schmunzelnd
Ein Mensch, der dünkt sich gut, ach, oft nur wie neun-mal-so-klug
Heftig, zornig, gutmütig und weise; ängstlich, urteilend, tapfer und leise.
muss lachen
Zum End' hin, fürcht' ich, werden wir's sehn.
Forthin...
steht auf, beginnt sich schwungvoll im Kreis zu drehen, schneller und schneller, den Kopf im Nacken, Arme weit von sich gespreizt im Kreis, ausgelassen
...da leb' ich, da tanz' ich, da sing' ich, da plärr' ich
in langsamer werdender Drehung
dann
wie befreit
WENN mich das Leben verführt, dann wag' ich's, geb' gänzlich der LIEBE mich hin.
bleibt mit ruhig und gelassenem Blick ins Publikum stehen
Das Leben, die Liebe ist einzig',
heiter
den Weg' JETZT, den weiß ich!
ENDE
Zitate aus "Eine Wiener Maskerad' - und weiter nichts" von Karl Korinek
S. 67.3 "Wir (das Publikum) sollten selbst denken, denn der Text und die Musik dieses großartigen Werks können uns sensibel halten."
Kostüm/Textvorschläge; "schwellendes" barockes Gemächt?
Lichtmeistetin: "Mittel zur Potenz drüben in der Rodauner Apotheke
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