Der Rosenkavalier im Wandel der Zeiten (i.p.)

Bald tritt der Rosenkavalier im Geist Rodauns auf seine Bühne Es nähert sich die Zeit seiner Aufführung. Damit wird bald das, was zuvor in mühsamer Arbeit zusammengetragen worden ist, auf der Bühne "körperlich" zum Ausdruck gebracht. Was lässt sich vom Schauspieler, vom Zuschauer, vom ganzen Team in geistig-körperlicher Tiefe aus der Inszenierung lesen? Findet sich in ihm ein Traktat politischen Willens? Eine Proklamation? Etwa wie in der Neuinszenierung des Jedermann von Michael Sturminger in diesem Jahr in Salzburg? Dort wurde die Bühne wie selbstverständlich zur politischen Provokation genutzt (https://www.vienna.at/letzte-generation-stoerte-jedermann-in-salzburg/8200240)

Oder haben die Autoren begriffen, dass auf der Bühne etwas viel Größeres verhandelt wird, was sich jenseits der Tagespolitik zuordnen lässt? Hofmannsthal's Vermächtnis steht dabei immerhin zur Verhandlung.

Hofmannsthal scheute als Künstler die politische Bühne. So sehr war er Künstler, dass ihn das politisch-vergängliche abstoßen musste, obwohl er mit seinem Libretto zum Rosenkavalier helles Licht auf das politisch-gesellschaftliche Gewese seiner Zeit, ja einer ganzen Epoche werfen wollte, die alsbald ihrer eigenen Größe verlustig gehen würde. 1911 kam es zur Uraufführung des Rosenkavaliers in der königlichen Oper Dresden. 1914 stürzten sich die politischen Kräfte in einen aberwitzigen, sinnlosen Krieg, der in einer flüchtigen Nachkriegsordnung 1918 bereits das Narrentum des aufgehenden Faschismus in sich barg. Die gesellschaftliche Spaltung, der Hohn in der Ohnmacht politischer Willkür war auch das Grundthema des Rosenkavalier. Das Credo seines geistigen Schöpfer war die Anerkennung widersprüchlicher Tendenzen in einer politischen Ordnung, die einen Zeitraum von drei Jahrhunderten umfassten und keinesfalls tagesaktuelle Befindlichkeiten, die vom Strom der Zeit schon bald hinweggewischt sein würde.

Dieser Tiefendimension eingedenk, wurden bei der Bearbeitung des Librettos hin zu eine "zeitgemäßen" Form vom Rodauner Rosenkavalier widersprüchliche Tendenzen in der Herangehensweise bald offensichtlich; fast einer Analogie zum politischen Geist der Zeiten Hofmannsthal entsprechend, fanden "spaltende" und "versöhnende" Ansprüche der Regiebuchschreiber ihren Ausdruck.

Der Betrachter mag dieser Analogie nicht unbedingt folgen; er kann sie bestreiten und wird dennoch bald in einen Sog von Deutungsmacht, um nicht zu sagen "Rechthaberei" gezogen. Auseinderstrebenden Tendenzen konnten bald, trotz größter Bemühungen nicht mehr ausgeglichen werden. Eine Entscheidung war deshalb notwendig, eine "Scheidung", wie sie auch beim Schaffen zum Original-Libretto notwendig wurde. Das eigentliche Thema des Rosenkavaliers war zu groß zugleich für mehrere Schaffende. 

Nun ist dem verbleibenden Team unbedingt zu wünschen, dass sie mit ihrer Version zum Thema eine glückliche Hand bewiesen haben! Möge der Rodauner Rosenkavalier ein so großer Rosenkavalier wie vor 122 Jahren sein Original werden! Großmut beweisen und sich nicht in kleinbürgerlicher Bequemlichkeit suhlen, die das anklagt, wofür sie - genau betrachtet - selbst steht!

Denn, ist es nicht so: "»Aktualität« bezeichnet den Gipfel des Unbedeutenden", weil zudem "einfältige (noch nicht entfaltete) politische Thesen eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausüben." Und darüber hinaus, "wenn eine Sprache zerfällt, glauben ihre Sprecher (fast zwangsläufig), sie verjünge sich", im Irrglauben liberale(r) Mentalität, (die) 

Schlussendlich lässt sich also resümieren: "Vertraut und geläufig, ohne vorhersagbar zu sein, ist das Geheimnis der guten Prosa" und so etwas wie "Wahrheit entsteht (bestenfalls) durch die notgedrungene Verbesserung eines Satzes aus Gründen des Wohlklangs!" "Wohlklang einer Wahrheit", die den Umständen unserer Zeit, jeder Zeit, die unsere, die Zeit Hofmannsthal, die Zeit Maria Theresias und auch alle Zeit zuvor willfährig geopfert werden muss, damit sie jetzt verherrlicht werden kann?

Anmerkung des Verfassers: alle kursiv gesetzten Worte in den beiden letzten Absätzen sind Zitate aus Nicolás Gómez Dávilas Aphorismensammlung "Auf verlorenem Posten".

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