Von Selbsterfahrung zur Selbstermächtigung

Am Anfang stand Unstimmigkeit. Zum Schluss versöhnliche Worte von Marcus Marschalek. Es war eine Zumutung für alle Beteiligten - PräsenzProben mitten in Zeiten einer Pandemie.

Unsicher und ja, auch etwas widerborstig gestimmt, kam ich zu den Proben. Was sollte das schon werden; Theaterproben fest eingezwängt in ein strenges Hygienekonzept, versteckt hinter Masken, ohne zu sehen, wie Worte sich über Lippen formen? Wider Erwarten deutlich besser als ein widerständiges Apriori vorab vermuten ließ. Augen vermögen Sterne zu sein, wenn man nur einmal gezwungen ist, genauer hinzuschauen. Augen ohne Gesicht (Eyes without a face), aber wie viel Ausdruck darin! 

Ich hatte mich neu adjustiert. Als Latexstrizzi ging der TOD so nicht mehr durch. Er war zu einer hybriden, armseligen Gestalt ohne Kontur verkommen. Wie sollte ich so eingekleidet gut spielen? So durfte ich nicht weitermachen; ich würde als TOD auf der Bühne selbst schneller sterben noch als FrauJEDERmann. 

Heißt es nicht "Kleider machen Leute"? Ich musste es versuchen. Gegen jeden aüßeren Widerstand. So gestimmt warf ich mich in meine Szene. Weit kam ich nicht. Marcus und Katharina hatten ständig etwas auszusetzen an meinem Spiel und unterbrachen nach wenigen Sätzen stets aufs Neue. Waren sie irritiert von meiner Veränderung, der schwere Mantel, der bedrohliche Stab, den ich ihnen entgegen- und mich daran festhielt?

Ich hatte die zunehmende Macht in neuen Kleidern verspürt und wurde (deshalb?) gleich einmal wieder zur Ordnung gerufen. "Im Text steht dies und das, deine Bewegungen stimmen nicht mit dem überein, was wir bislang schon erarbeitet hatten!", so klang es in meinen Ohren. Ich würde ihnen meine neu gewonnene Macht zeigen, sonst müssten sie es für ein Trugbild halten! Es platzte eruptiv aus mir heraus: "Wie könnt ihr unser Spiel immer sofort wieder unterbrechen! Lasst uns endlich einmal etwas ausprobieren! So kommen wir nicht weiter!" Es tat mir gut mich zu spüren. Furor in mir aufwallen zu sehen, die Respektlosigkeit mir und meinem ehrlichen Bemühen nach besserem Spiel nicht anzuerkennen; das warf ich der Regie ins Gesicht. Es passte! Genau so würde der TOD frauJEDERmann in die Pflicht nehmen, endlich die Botschaft zu begreifen und ihn als BOT für alle Zeit ernst zu nehmen. 

So wurde die Probe für mich doch noch zum Erfolg. Ich, nein wir waren ein Stück weitergekommen. Ich bekam unmittelbar eine Ahnung davon, wie gut ich die Botschaft des TODS auf die Bühne bringen werde. Dank Mantel, Dank Stab. Das Aüßere muss mit dem Inneren korrespondieren. Sonst wird der nackter Mensch niemals ganz wahrgenommen. Ich bekam wieder Lust, neue Energie für die Rolle, die ich spielen möchte. Die Bühne ist das Leben, wie das Leben eine Bühne, auf der wir uns präsentieren dürfen. Ich war mitten drin im Stück. Im Leben. Von der Selbsterfahrung ließ ich mich zur Selbstermächtigung führen.

Die versöhnlichen Worte Marcus' rundeten das Bild ab. Er sprach von Auseinandersetzungen, aus denen heraus man wieder zusammenfinden, aus der Freundschaft entstehen kann. So ein Theater! 


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