Die Jahre 0 - 19 (1957 - 1976)
Geboren
1957 in Sindelfingen/Baden-Würtemberg, als Sohn eines
Automobil-Ingenieurs und einer Hausfrau. Ein um 368 Tage älterer Bruder.
Eine um 4 Jahre jüngere Schwester.
Erzählungen
innerhalb der Familie, aber auch eigene Wahrnehmungen, zeichnen von mir
ein Bild eines etwas verträumten Jungen, der eher bedächtig die Umwelt
zur Kenntnis zu nehmen gedachte. Langes Staunen verzögerte Spaziergänge
und stellte die Eltern vor Geduldsproben.
Das
erste prägende Ereignis der frühen Kindheit resultierte aus einem
Gespräch mit der Behauptung, dass man als Mensch einmal sterben müsse.
Undenkbar für einen kleinen Jungen, der doch das Leben erst noch vor
sich hatte. Ich erinnere eine schlaflose Nacht mit quälenden Gedanken,
wohin denn diese mit dem Ableben einmal entschwinden würden. Gedanken
ließen sich schließlich nicht rückgängig machen. Über das Löschen von
Nachrichten hatte der kleine Junge bis dahin noch nichts ahnen könnten.
Die Aussage musste daher falsch sein.
Jahre
später hatte der Junge in seiner heraufziehenden Pubertät in der Ecke
stehend eine Strafe zu verbüssen, infolge dieser er nicht zu einem
Familienspaziergang mitgehend durfte. Solch scheinbar sinnlosen Strafen
waren damals nebst körperlicher Züchtigung durchaus üblich. Für den
Jungen machte dieser unangenehme Straferlass zur eigenen Überraschung
jedoch durchaus Sinn. Hatte er doch gefühlt den gesamten Nachmittag
stehend die Ecke anklagend ausreichend Zeit, dem ihm durchaus noch
vertrauten Glauben an eine höhere Gerechtigkeit durch einen gütigen
Gott, helfenden Wesen und allerlei Zaubereien eine Absage zu erteilen.
Die gefühlte Ungerechtigkeit, ihm wegen eines müßigen Vergehens die
Sonnenstunden im Familienkreis zu verweigern, war dermaßen sinnlos und
überzogen, dass es anhin eine höhere Vernunft nicht mehr geben könne.
Derart
war ich mitten im Materialismus gelandet. Das Leben konsequent logisch
determiniert. Ungehörigkeit wird streng bestraft. Jeder Versuch
auszubrechnen a priori sinnlos.
Nicht jedoch
für den Jungen: ein mächtiger Stolz erhob sich aus seinem Inneren.
Androhungen körperlicher Gewalt waren zwar weiterhin geeignet sich rasch
noch einzunässen - um sich später dafür auch noch zu schämen - jedoch:
sie hatten alle Macht verloren und vermochten ihn daher nicht mehr
brechen. Jeglicher Bestechungsversuch, der beabsichtige ihn mit
vernüftiger Argumentation auf Linie zu bringen, wurde konsequent
verweigert. Dem Vater als Vorbild nachzueifern als nicht erstrebenswert
erkannt. Sein träumerisches Wesen gab ausreichend Raum sich in schöne
Phantasien zu verlieren. Jugendbücher waren rasch verschlungen, die
Popkultur zog alle Aufmerksamkeit gleich einem übergroßen Rettungsanker
auf sich.
In der frühen Sexualität überaus
gehemmt, vermochten sich vertiefende Rückzüge in eine imaginierte heile
Welt die stete Androhung weiterer körperlicher Übergriffe von der Seele
fernzuhalten. So wurde die rationale Welt der Erwachsenen als durch und
durch gewaltätig und ganz sicher nicht nachahmenswert eingeschätzt.
Meine arme Mutter verzweifelte jedenfalls ganz zu Recht am guten Willen
ihres Sprösslings.
Dennoch. Es gabe jede Menge
Liebe im Elternhaus. Überbordender Humor und stets kontroverse
Diskussionen über alle möglichen Dinge des Lebens, die ein
heranwachsender Jüngling gerade beginnt in Ansätzen zu begreifen, waren
eine Wundertüte. Ein fast zauberhaftes Geschenk. So wird es viele
Zuhöhrer meiner Geschichten erstaunen, denen ich freimütig alle
Schattierungen meiner frühsten Prägungen schildere, dass ich stets von
einer schönen Kindheit berichte. Hart war sie weil oft nackte Angst
vorherrschte, dahinter aber vielfältig und reich. Und zunehmend
nachsichtig.
Schulische Interessen waren
jedoch weit hinten angestellt. Das brave Bürgersöhnchen angepasst unter
einer strengen Fassade. Fersehfilme und erste Sportsendungen, des nachts
heimlich konsumiert, waren ein überaus reicher Ausgleich. Die Auswahl
war damals begrenzt. Es gab - heute undenkbar - Programmenden. Daher,
zufällig oft, das Eintauchen in gute Produktionen öffentlicher
Rundfunkanstalten. Ferhsehspiele mit Schauspielern ersten Ranges, erste
Berührungspunkte zu philosophischen Themenbereichen. Der "schwarze
Kanal" eine Erbauung. Ein eigener Bildungszugang, der schulische
Disziplin und elterliche Mahungen leicht auszuspielen vermochte.
Fast
ein Wunder: das Abitur mit 19 mit überraschend gutem Notenschnitt.
Besser jedenfalls als in allen Zeugnissen zuvor. Vermutlich ein gütiges
Geschenk vom lehrenden Personal guter linker Gesinnung, das dem Duktus
der Zeit entsprechend wenig Elite, dafür aber eine rasch anwachsende
Zahl von Abiturenten aller gesellschaftlicher Schichtungen ins Studium
entsandte.
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