Mein Brief ohne Empfänger

Liebe XXXXX,

Wollen wir versuchen, es noch einmal so zu machen, wie wir es machten, als wir Kinder waren? Als unsere famiäre Welt noch die Eine sein dürfte? Eine Welt, eine Familie. Als wir noch Kinder waren, die Welt offen schien und wir noch unversehrt? Wollen wir es wieder versuchen, was wir als Kinder so selbstverständlich füreinander taten? 

Aber geht das, einfach so, jetzt da wir bereits vom Alter eingeholt und das Leben hier und dort zugeschlagen hat? Fragen ja, aber etwas wissen? Wollen wir statt Bestätigung nicht lieber nach dem noch offenen Raum.fragen? Was wünscht Du von mir? Was erwartest Du? Dass ich Dich noch liebe und schätze wie die Schwester wie damals, als wir klein waren? Als die eine Schwester, die ich hatte? Die mich nicht mehr sehen kann, weil ich ihr zuwider geworden bin? Aber sie ist die eine Schwester, ich habe keine andere. Darf ich nicht mehr hoffen? Doch, ich will es immer versuchen. 

Dass ich Dich sehe, wie sehr Dich eine Erkrankung mitnimmt, ohne wirklich zu sehen? Ich sehe es und ich sehe noch mehr, wie tapfer Du Dich ihr entgenstellst. Ich bewundere Deinen Mut. Könnte ich es wie Du? Ich habe keine Worte dafür, wie sehr es mir leid tut; und kann nur vermuten. Ich fühle mich schuldig, ohne dass ich es bin. So wie jetzt, da unser aller Angst mich doch nur leicht streift. Und ich wieder und wieder davon nur mit Kratzern davon zu kommen scheine? Macht Dich dass so wütend auf mich? Müsste ich es verstehen? 

Es muss etwas anderes sein. Würde Dir meine Traurigkeit, die ich immer schon in mir geborgen hielt, die ich Dir so nicht zeigen kann, die Trauer über den Verlust meiner kindlichen Familie etwas nützen? Dass auch ich der Welt verlustig gehe? Was einmal gut war, ist jetzt nicht mehr nur gut. Wüsste ich um Nützlichkeit, um einen Weg, der Dich besänftigen könnte...ich würde es tun!

Was ich tun werde ist, von Deinem Zorn auf mich nicht ablenken zu lassen. Er erschüttert mich, lässt mich niemals in Ruh. Ständig schwährt die Wunde, die uns trennen will. Ich will Deinen Zorn auf mich, auf unsere Familie auf mich nehmen; wenn ich es doch nur könnte. Davon will ich nicht mehr ablassen. Ich kann es aber nur halbherzig, weil ich Dich nie sehe. Deinen Zorn kann ich ertragen, Deine Abwesenheit bricht mir das Herz. Wenn ich Dich nicht sehe, spüre ich Deinen Zorn. 

Robert scheint hilflos. Er sieht mich, wie ich bin. Er ist Dein Ehemann und muss Dich schützen. Er kann Dich nur schützen, indem er Deinen Zorn auf mich teilt und mitträgt. Woraus ist das Gift, das uns trennt? Seit wann hat es sich zwischen uns ausgebreitet? 

Auch ich bleibe hilflos. Mehr als Robert und Du. Ihr habt Euren Zorn. Ich habe ihn nicht.

Wer kann mir helfen? Ich kann es nicht. Nur Du als die eine Schwester. Vergib mir, was ich schuldhaft und weniger schuldhaft austrage. Vergib mir alles. Einfach so. Bitte. Ich flehe darum! 

Reden hilft wohl nicht mehr. Vielleicht sollten wir zusammen kommen, indem wir anfangen zu schweigen. Und endlich wieder fühlen, wie sehr wir uns fehlen, wenn wir uns sehen ohne uns noch nah zu sein. 

War es nicht die Musik unserer Jugend, die es verstand uns über alle Maßen zu binden? Musik sagt mehr als alle Worte, sagt man. Was einmal war, kommt nie wieder, sagt man. Die Musik aber bleibt. Vom ersten Ton bis zum letzten Verklingen. Wenn Du es hören willst, wie sehr ich um den Verlust meiner einen Schwester trauere, dann sagt die Musik soviel wie das Herz, das ich für dich gemalt habe und das ich wieder in Flammen setzen möchte: 

"So many things I would have done
But clouds got in my way" 
Both sides now - Joni Mitchell

So viele Dinge hätte ich getan. Aber Wolken haben sich dazwischen geschoben. Das haben sie. In einer ruhigen Minute höre auf ihre Stimme. Hör sie mehrmals. Ihre Musik singt mit einer Sehnsucht, die in meinen Worten keinen Ausdruck finden. 

Machen wir es wie früher, als wir unschuldig mit den Zungenspitzen schmeckten, wie wir miteinander einfach sein konnten. Warum sollte es uns nicht wieder gelingen? Wenn ich verspreche alles zu hören ohne Rechtfertigung? Ich es aufnähme, mitnähme, es mit Dir teilte? 

Als wir Kinder waren, haben wir es so gemacht. Weil wir neugierig waren aufeinander und uns noch vertrauten. Du mir, ich Dir. 

Lass Dein Herz erweichen und nimm mich wieder auf. Als den einen von Brüdern. Nicht anderes könnte mich jetzt, jetzt in meiner Traurigkeit trösten. 

Georg

p.s. Liebe XXXXX, nach dem Lesen des von Sehnsucht nach Akzeptanz getriebenen Bemühens, den Frieden einer besonnenen Kindheit wieder in unsere Mitte zu rücken, magst Du begreifen, warum dieser Brief nie seinen Weg finden komnte; am Empfänger ist's! Doch am Verfasser liegt's! Und der Verlust überdeutlich und unumkehrbar, denn wie sollte es geschehen?. Wo ein Blick in die Vergangenheit so sehr schmerzt, ist auch das Hier und Jetzt bodenlos. Die Skulptur der Salzsäule lässt keinen Blick in die Vergangenheit mehr zu, ist in der Unvergesslichkeit kristalline Substanz. Ein Blick zurück mit Zorn und Wut statt ein Blick voraus in Liebe und Zuneigung. Ohne diese Regung ist aber auch der Blick abgrundtief und findet kein Ziel. So findet auch die Liebe, die einst war, nur noch sich selbst im Spiegel eines trüben Teiches. "It's life's illusions that I recall" 




Rows and flows of angel hair
And ice cream castles in the air
And feather canyons everywhere
Looked at clouds that way

But now they only block the sun
They rain and they snow on everyone
So many things I would have done
But clouds got in my way

I've looked at clouds from both sides now
From up and down and still somehow
It's cloud illusions I recall
I really don't know clouds at all

Moons and Junes and Ferris wheels
The dizzy dancing way that you feel
As every fairy tale comes real
I've looked at love that way

But now it's just another show
And you leave 'em laughing when you go
And if you care, don't let them know
Don't give yourself away

I've looked at love from both sides now
From give and take and still somehow
It's love's illusions that I recall
I really don't know love
Really don't know love at all

Tears and fears and feeling proud
To say, "I love you" right out loud
Dreams and schemes and circus crowds
I've looked at life that way

Oh, but now old friends they're acting strange
And they shake their heads and they tell me that I've changed
Well something's lost, but something's gained
In living every day

I've looked at life from both sides now
From win and lose and still somehow
It's life's illusions I recall
I really don't know life at all

It's life's illusions that I recall
I really don't know life
I really don't know life at all

Quelle: lyricfind.com

Songwriter: Joni Mitchell 

Songtext von Both Sides Now © Crazy Crow Music / Siquomb Music Publishing, Reservoir Media Management Inc

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