Innehalten auf der Bühne - Gedanken zur frauJEDERmann während der Pause

Was bleibt vom sommerlichen Theater rund um unsere frauJEDERmann nun im Winter zurück? Eine wohlverdiente Pause - sicherlich. Zum Winter, zur Adventszeit insbesondere, passt das Innehalten. Das Zurückblicken. Und der Blick in die kommende Zeit. Bis zum Sommer 2022, in der frauJEDERmann neuerlich auf dem Vorplatz der Rodauer Bergkirche auf die Bühne soll.

Sooft ich selbst an unsere Aufführungen im vergangenen Sommer denke, bleiben meine Gedanken stets an einem Bild hängen. Team Grün hatte Pause. Einige Plätze in der vordersten Reihe direkt vor der Bühne waren frei geblieben. Gerti bat mich und Melitta diese doch zu füllen. Und dort aus unmittelbarer Nähe wurden wir eingesogen in das Geschehen auf der Bühne mit Macht. Team Rot war an der Reihe.

Es geschah in der Szene, in der der TOD mit aller ihm verliehenen Macht frauJEDERmann nach langem Ringen endlich zu Boden werfen konnte mit seinen Worten: "Wo ich einen Mensch tu antreten, den schlag' ich auf sein Herz mit Macht!" Vom unerbittlichen Ringen mit dem sich anbahnenden Tod bereits schwer gezeichnet stößt frauJEDERmann verzweifelt hervor: "Oh weh! Nun ist wohl Weinens Zeit. Nun steh ich da und hab kein Geleit." Sie sinkt in sich zusammen, den Kopf zu Boden gesenkt. 

In der Sekunde geschieht Unfassbares auf der Bühne. Wie in Trance sagt der TOD, ein jedes Worte betont verzögern, ins Publikum hinein: "Meinst du, dass Solches dir gewinnst" frauJEDERmann erhebt den Blick langsam vom Bühnenboden und blickt ebenso wie der Tod mit fragenden Augen weit ins Publikum. Dann gefriert die Szene. Reglos verharrt der Blick im Publikum. Es knistert förmlich vor Spannung zwischen Publikum und Bühne. TOD und frauJEDERmann verharren zu einer gemeinsamen Salzsäure erstarrt. Die Frage steht nich offen im Raum, bis der TOD mit samtener Stimme hinzufügt: "Und ich sag Dir, Sie (ins Publikum weisend) und Sie (zur Tischgesellschaft) weigern Dir den Dienst". frauJEDERmann hebt verzweifelt Ihre Arme zum Himmel empor, wendet sich an den TOD und schreit laut heraus: "Nur nit allein vor das Gericht!" und flehentlich "Nur Reden und Ratens ein Stündlein Zeit mir zu gewinnen ein Geleit!" Schließlich willigt der TOD versöhnlich gestimmt, an die Kürze der Zeit mehrmals mahnend zu und verlässt die Bühne. FrauJEDERmann schöpft neue Hoffnung. 

Es wäre durchaus denkbar, dass erst aus meiner Erinnerung sich diese Szene genau so zusammen gesetzt haben mag. Roland und Steffi jedenfalls haben mich durch ihr Spiel zu dieser Interpretation ihres Spiels inspiriert. Ebenso wie das kurze Erstarren der Figuren auf der Bühne, diese kunstvolle Pause, so brauchte es die Spielpause, die Zeit des Nachdenken, für mich zu erkennen, dass noch sehr viel Spielraum für eine weitere, leicht modifizierte Aufführung im folgenden Sommer auf mich warten wird. Hoffentlich ein weiteres Mal auf mich, aktiv auf der Bühne. 

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